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Medizin

Bypass-OP: Tranexamsäure senkt Blutungsrisiko, kann aber Krampfanfälle auslösen

Mittwoch, 26. Oktober 2016

dpa

Melbourne – Das Antifibrinolytikum Tranexamsäure, das in herzchirurgischen Eingriffen häufig zur Vorbeugung von Blutungen eingesetzt wird, hat in einer randomisierten kontrollierten Studie die Häufigkeit schwerer Blutungskomplikationen nach Bypass-Operationen halbiert. Es kann jedoch zu postoperativen Krampfanfällen kommen, die ein erhöhtes Schlaganfallrisiko anzeigen. Die Ergebnisse der Studie wurden auf der Jahrestagung der American Society of Anesthesiologists in Chicago vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1606424) publiziert. 

Schwere Blutungen sind nach Bypass-Operationen der Koronararterien keine Seltenheit. Bei manchen Patienten machen sie, etwa nach einer Herztamponade, eine Reoperation erforderlich, die mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden ist. Viele Herzchirurgen behandeln die Patienten vorsorglich mit Tranexamsäure. Der Wirkstoff blockiert die Bildung von Plasmin, was die Auflösung von Blutgerinnseln verlangsamt. Dies soll nach Operationen schwere Blutungen verhindern. Tranexamsäure erhöht jedoch im Prinzip das Thromboserisiko, weshalb sein Einsatz eine Gratwanderung ist.

Der Dachverband der australischen und neuseeländischen Anästhesisten (ANZCA) hat Sicherheit und Effektivität von Tranexamsäure bei koronaren Bypass-Operationen in der ATACAS-Studie (für: Aspirin and Tranexamic Acid for Coronary Artery Surgery) untersucht. 31 Herzzentren in sieben Ländern (keine deutsche Beteiligung) haben 4.662 Patienten auf eine Behandlung mit Tranexamsäure oder Placebo randomisiert. Die Tranexamsäure-Dosis betrug anfangs 100 mg/kg Körpergewicht. Neuen Erkenntnissen folgend wurde die Dosis später halbiert.

Primärer Endpunkt der Studie war der Composite aus Tod oder thrombotischen Komplikationen, zu denen Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenembolie, Nierenversagen oder Darminfarkt gezählt wurden. Eines dieser Ereignisse trat in den ersten 30 Tagen nach der Operation in der Tranexamsäure-Gruppe bei 386 Patienten (16,7 Prozent) und in der Placebogruppe bei 420 Patienten (18,1 Prozent) auf. Paul Myles vom Alfred Hospital in Melbourne und Mitarbeiter errechnen ein relatives Risiko von 0,92, das mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,81 bis 1,05 nicht signifikant war. Es bedeutet, dass auch unter der ungünstigsten Annahme die Behandlung mit Tranexamsäure den Patienten nicht schädigt.

Unter der Oberfläche dieses Null-Ergebnisses stehen sich Nutzen und Risiken wie folgt gegenüber: Schwere Blutungen oder eine Herztamponade traten in der Tranexam­säure-Gruppe bei 1,4 Prozent der Patienten auf gegenüber 2,8 Prozent in der Placebogruppe. Das ergibt eine Number Needed to Treat von 71 Patienten, die behandelt werden müssen, um bei einem Patienten eine schwere Blutung/Herztamponade zu vermeiden.

Auf der anderen Seite kam es in der Tranexamsäure-Gruppe bei 0,7 Prozent der Patienten zu postoperativen Krampfanfällen, die auf einen begrenzten ischämischen Insult hinweisen. In der Placebo-Gruppe wurde diese Komplikation nur bei 0,1 Prozent der Patienten beobachtet. Die Number Needed to Harm beträgt 177 Patienten, auf die einer käme, der infolge der Behandlung mit Tranexamsäure zusätzlich einen postopera­tiven Krampfanfall erleidet. Dieses Risiko wurde durch die Halbierung der Tranexamsäure-Dosis nicht gesenkt.

Für Myles ist aufgrund der Ergebnisse die Nutzen-Risiko-Bilanz positiv. Seiner Ansicht nach bietet sich die Prophylaxe auch bei anderen chirurgischen Eingriffen wie Knie- und Hüftgelenkersatz, Trauma-Chirurgie oder bei der Wirbelsäulenchirurgie an. Dort wird Tranexamsäure heute selten eingesetzt – was aber auch daran liegen könnte, dass Sicherheit und Effektivität kaum untersucht sind. 

Die ATACAS-Studie hat auch Risiken und Nutzen einer Weiterbehandlung mit ASS während der Bypass-Operation untersucht. Die Ergebnisse hierzu wurden bereits im Frühjahr publiziert. Die ATACAS-Studie hatte hier keine Bedenken gefunden. © rme/aerzteblatt.de

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