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Auslandsversicherte: BSG bestätigt rückwirkende Korrekturen des Gesetzgebers

Mittwoch, 26. Oktober 2016

/dpa

Kassel/Berlin – Im Streit um Zuweisungen für Auslandsversicherte im Rahmen des Risi­ko­struk­tur­ausgleiches (RSA) hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) gestern ein ab­schließendes Urteil (Az. B 1 KR 11/16 R) gefällt. Der Gesetzgeber durfte demnach die Re­geln für die Zu­weisungen für Auslandsversicherte rückwirkend ändern, um die Ziel­­ge­nauigkeit des RSA zu verbessern. Das schutzwürdige Bestandsinteresse einer Kranken­kasse überwiege nicht gegenüber dem Interesse an einer zielgenaueren, ge­rechteren Eingrenzung der Zuweisungen für Auslandsversicherte, heißt es dazu im Terminbericht des BSG.

Demnach hat der Gesetzgeber „rechtmäßig bereits für den Jahresausgleich 2013 die Höhe dieser Zuweisungen auf die tatsächlichen Leistungsausgaben für diese Ver­sicher­tengruppe“ begrenzt. Er habe nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Zweck der zum 1. August 2014 in Kraft getretenen verfassungskonformen Rechts­grundlagen für Auslandsfälle so verfahren dürfen, heißt es weiter.

Das Gericht begrün­dete zudem, warum die Regelung in diesem speziellen Fall auch rückwirkend greifen durfte. So sei der jeweilige endgültige Jahresausgleich einer Kran­kenkasse erst bis zum Ende des auf das Aus­gleichs­jahr folgenden Jahres – hier also 2014 – durchzuführen. „Die Rechtsänderungen bewirkten eine zulässige unechte Rück­wirkung. Sie regeln lediglich Rechtsverhältnisse für Zeiträume nach ihrer Verkündung, die zuvor bloß durch vorläufige Zuweisungen geregelt waren“, schreibt das BSG. Das schriftliche Urteil mit der genauen Urteilsbegründung steht noch aus.

LSG-Urteil aufgehoben
Der 1. Senat hob mit seiner Entscheidung das bestehende Urteil des Landessozial­ge­richts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Az. L 5 KR 745/14 KL) auf. Es hatte noch der Klage der AOK Rheinland/Hamburg gegen eine Neuberechnung der Zuweisungen auf­grund des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) von 2014 stattgegeben und entschieden, dass ein rückwirkender Eingriff des Gesetz­gebers nicht gestattet ist. Es annullierte den Jahresausgleichsbescheid des Bundes­ver­siche­rungsam­tes (BVA) für 2013 hinsichtlich der Zuweisungen für Auslandsversicher­te und verpflichtete die Behörde zur Neubescheidung. Das BVA legte daraufhin Revision beim Bundessozialgericht ein.

Das BVA sieht sich durch die höchstrichterliche Entscheidung bestätigt. „Ich begrüße das Urteil des Bundessozialgerichtes“, sagte BVA-Präsident Frank Plate. Es schaffe Klarheit und Pla­nungssicherheit für alle Krankenkassen. Die mit der gesetzlichen Änderung ver­folgte höhere Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs sei damit sichergestellt.

Auch in GKV-Kreisen wurde die Entscheidung positiv aufgenommen. „Damit sind nun­mehr die erheblichen finanziellen Unsicherheiten für die Krankenkassen für die Aus­gleichsjahre 2013 und 2014 behoben, die sich aus dem Urteil des  Landessozialgerichts NRW ergeben hätten“, erklärte IKK-Geschäftsführer Jürgen Hohnl.

Das sieht auch der BKK Dachverband so. „Das BSG hat mit seiner Entscheidung den gesetzgeberischen Willen bestätigt und schafft damit nun – kurz vor den Haushalts­pla­nungen für das nächste Jahr – mehr Planungssicherheit für die 118 gesetzlichen Kran­­kenkassen“, sagte Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes.

Das Urteil zeige, dass man sich auf die Sozialgerichtsbarkeit verlassen könne. Allerdings, so Knieps weiter, enthebe das Urteil den Gesetzgeber aus Sicht der BKKen nicht des dringlichen und zeitnahen Regelungsbedarfs im laufenden Gesetzge­bungsverfahren. Denn damit könne Rechtssicherheit bei weiteren noch anhängigen Verfahren bei Landesssozialge­richten zu Auslandsversicherten für das Jahr 2014 sowie für Krankengeld für die Jahre 2013 und 2014 geschaffen werden.

AOK „überrascht und enttäuscht“
In der Konsequenz hat das BSG-Urteil zunächst Folgen für die AOK Rhein­land/Hamburg, die historisch bedingt besonders viele Auslandsversicherte versichert. Hatte das LSG ihr noch rund 157 Millionen Euro als Ausgleichszahlungen für Auslandsver­si­cherte zuge­spro­chen, besagt das BSG-Urteil nun, dass das Geld der Kasse doch nicht zusteht. Die AOK Rheinland/Hamburg kann mit dem Geld also nicht mehr planen.

Die Kasse reagierte entsprechend verhalten. „Die Entscheidung hat uns überrascht und enttäuscht“, sagte eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg auf Nachfrage des Deutschen Ärzte­blattes (DÄ). Denn bisher sei die Notwendigkeit von Planungssicherheit für Krankenkassen durch die Rechtsprechung anerkannt gewesen. Ob es Konsequen­zen für den Zusatzbeitrag der Krankenkasse geben wird, konnte sie nicht sagen. Zu­nächst müsse die schriftliche Ur­teils­begründung abge­wartet werden, hieß es. Sie betonte jedoch, dass die Ent­schei­dung des BSG „grundsätzlich Fragen für die Haushalts­pla­nung“ der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufwerfe.

Kein Änderungsbedarf mehr nötig?
Mit dem Urteil könnte nun auch erneut Bewegung in die bisher umstrittenen Pläne der Gro­ßen Koalition kommen, die Gesetzgebung aus dem Jahr 2014 zu präzisieren oder zu ändern. Die Partei­en hatten zuletzt darüber gestritten, wie eine solche Klarstellung des GKV-FQWG aussehen kann.

„Das Vorhaben in Bezug auf Auslandsversicherte ist nun vom BSG bestätigt worden. Trotzdem prüfen wir, ob es weiterer Klarstellungen bedarf“, sagte die gesundheits­politi­sche Sprecherin der Union, Maria Michalk, auf Nachfrage des DÄ. Dafür sei allerdings die schriftliche Urteilsbegründung notwendig. Sie betonte, es sei Ziel der geplanten Än­de­rungsan­trä­ge, eine Klarstellung zu den Zuweisungen für Krankengeld und für Auslands­ver­si­cher­te im RSA zu erreichen.

© may/aerzteblatt.de

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