Politik
Gröhe und Montgomery: Besser über Organspenden aufklären
Donnerstag, 3. November 2016
Frankfurt/Berlin – Tausende Patienten in Deutschland hoffen derzeit auf ein Spenderorgan, doch die Zahl der Organspenden reicht bei weitem nicht aus. Über die Gründe dafür gehen die Meinungen auseinander: Die Bundesärztekammer (BÄK) beklagt unter anderem eine mangelnde finanzielle Ausstattung der Kliniken, die Krankenkassen machen dagegen den Vertrauensverlust durch den Transplantationsskandal verantwortlich.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will intensiv für Organspenden werben. „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass sich verloren gegangenes Vertrauen nur langsam zurückgewinnen lässt“, sagte Gröhe. „Über 10.000 schwerkranke Menschen warten in Deutschland verzweifelt auf ein Spendeorgan. Alle acht Stunden stirbt ein Mensch auf der Warteliste, weil kein passendes Organ gefunden wird.“
Vor einigen Jahren ließen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen die Spendebereitschaft zurückgehen. Ärzte hatten ihre Patienten kränker erscheinen lassen als sie tatsächlich waren, um in der Liste der potenziellen Empfänger nach oben zu klettern. Den mehr als 10.000 Menschen in Deutschland, die auf ein Spenderorgan hoffen, standen 2015 laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) 877 Organspenden gegenüber, etwas mehr als 2014 mit 864 Spenden.
Vor dem Skandal lag die Zahl höher, aber immer noch weit entfernt von der Zahl benötigter Organe: 2010 waren es 1.296 Organspenden, 2011 lagen sie bei 1.200, 2012 bei 1.046. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, „das 2012 durch die schweren Verfehlungen an einzelnen Kliniken erschüttert wurde, (...) müssen alle Beteiligten mitwirken, also Ärzte, Krankenhäuser, die Deutsche Stiftung Organspende und der Gesetzgeber“, sagte Gröhe.
Nach Ansicht der DSO müssen auch Ärzte in Krankenhäuser stärker für das Thema sensibilisiert werden. Dass manche von ihnen bei medizinischen Notfällen nicht an eine mögliche Organspende eines Kranken dächten, liege auch an der „enormen Leistungsverdichtung“ in Kliniken, sagte der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, heute bei einem Kongress in Frankfurt. „Das ist nicht böse Absicht.“ Die Zahl der Krankenhäuser sei geschrumpft, gleichzeitig aber die Zahl der Patienten auf Intensivstationen gestiegen.
Der Vorsitzende des DSO-Stiftungsrates, Björn Nashan, sagte, Krankenkassen müsse klargemacht werden, dass ein System nicht totgespart werden dürfe. „Alle sind unter Kostendruck und keiner denkt mehr an den Patienten.“
BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery, verlangte ebenfalls mehr Aufklärung über Organspenden und eine finanziell bessere Ausstattung für die Kliniken. Der Transplantationsskandal 2012 sei nur ein Grund für das weitere Absacken der Spenderzahlen gewesen, sagte er. Wesentlich wichtiger sei unter anderem eine ausreichende Finanzierung der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern. „Auch Angehörigengespräche mit speziell geschultem Personal müssen auskömmlich bezahlt werden“, erklärte der BÄK-Chef. „Hier sind die Krankenkassen immer noch ein großer Bremsklotz.“
Die gesetzlichen Krankenkassen wehren sich gegen den Vorwurf, zu wenig Geld zur Verfügung zu stellen. „Die Transplantationsmedizin befindet sich in einer Vertrauens- und nicht etwa in einer Finanzierungskrise“, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Johann-Magnus von Stackelberg. Die Krankenkassen gäben allein für die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken pro Jahr 18 Millionen Euro aus. Für eine Herztransplantation mit der anschließenden Beatmung erhalte eine Klinik über 130.000 Euro.
Um die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen eine Organspende abzubauen, soll auch ein zentrales Transplantationsregister mehr Transparenz bringen. Gesetzliche sowie private Krankenkassen müssen nun ihre Versicherten ab 16 Jahren alle zwei Jahre über Organspende und Organspendeausweis informieren. © dpa/may/aerzteblatt.de

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