Politik
Pflegeausbildung: Weiter Streit um Generalistik
Freitag, 4. November 2016
Berlin – Die Bundesregierung will mit dem Pflegeberufegesetz die heute getrennten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammenführen. Wie die Stuttgarter Nachrichten heute berichten, steht die Reform kurz vor dem Aus. Die Grünen fordern, die Reform zu überdenken.
Der Zeitung zufolge stoße das Vorhaben in der Union auf „bislang nicht zu überwindenden Widerstand“. „Die Situation ist derzeit vollkommen verfahren und unübersichtlich“, sagte Erwin Rüddel, der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion.
In einem koalitionsoffenen Abend sollten laut Bericht in der kommenden Woche die Mitglieder der Unionsfraktion zu einer gemeinsamen Linie finden, das Treffen sei aber abgesagt worden, da die Aussichten auf Einigung zu gering seien. Auch sei ein Vermittlungsgespräch mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe, an dem auch Fraktionschef Volker Kauder teilgenommen hatte, gescheitert. Gröhe hatte der Zeitung zufolge einen Kompromissvorschlag abgelehnt, der eine zweijährige allgemeine Ausbildung vorsah, an die sich dann ein weiteres Jahr spezialisierte Schulung in den drei Berufen anschließen würde.
In der kommenden Woche wolle die Union das Gespräch mit der SPD suchen, hieß es. Die steht hinter Gröhe und will eine Reform der Pflegeberufe unbedingt erreichen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erklärte daher auch, er sei „besorgt“ über die Widerstände in der Union. Die SPD werde „mit aller Kraft versuchen, das Projekt zu retten“.
Neben der SPD und Gröhe hatte bislang vor allem der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann für die Reform der Pflegeausbildung gekämpft. Er sagte nun als Reaktion, im Parlament versuchten „derzeit gerade diejenigen Interessenvertreter von außen Einfluss zu nehmen, die die Altenpflege möglichst klein halten wollen und darüber hinaus alles tun, um Tarifverträge in der Altenpflege zu verhindern“. „Das Zeitfenster wird immer kleiner“, sagte CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich. Im November müsse es eine Lösung geben, sonst gebe es keine Chance mehr.
Grüne: Alles nochmal überdenken
Angesichts der Lage forderte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, die geplante Reform der Pflegeausbildung noch einmal „sehr gründlich“ zu überdenken. „Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass die geplante Zusammenlegung – die sogenannte Generalisierung – von Kinderkranken-, Gesundheits- und Altenpflege ein Fehler wäre“, sagte Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen. Die grundlegenden Probleme im Berufsfeld Pflege würden aus ihrer Sicht damit nicht gelöst, sondern eher verschärft.
Zudem zeige der Konflikt in der Union deutlich, wie umstritten dieses Vorhaben sei. „Eine so weitreichende und zukunftsweisende Entscheidung sollte aber erst getroffen werden, wenn fachlich alle Zweifel aus dem Weg geräumt sind. Dies ist nicht der Fall“, sagte Scharfenberg. Es blieben unbewiesene und wenig überzeugende Behauptungen, dass ein einheitliches Berufsbild den Pflegeberuf attraktiver machen würde, eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte nach sich ziehe und sich dadurch die Versorgung in der alternden Gesellschaft verbessere. Scharfenberg: „Wir befürchten, dass durch die Reform dringend notwendiges Fachwissen in der Pflege verloren geht.“
Nichtdestotrotz sieht auch die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen großen Reformbedarf. Ohne Zweifel müssten die Pflegeberufe aufgewertet und attraktiver werden. Dazu zähle auch eine Reform der Pflegeausbildung, die den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft angepasst und modernisiert werden müsse.
„Wir brauchen für eine gute pflegerische Versorgung spezialisierte Fachleute. Deshalb setzen wir uns seit 2011 für eine integrative Pflegeausbildung ein“, so die Sprecherin. Dabei werden gemeinsame Ausbildungsinhalte zunächst zusammen gelehrt, danach erfolgt eine Spezialisierung in einem der drei pflegerischen Berufszweige. „Es sollte im Interesse aller Akteure sein, dass am Ende eine fachlich überzeugende Lösung steht und wir uns nicht in Grabenkämpfen verlieren“, verwies die grüne Politikerin.
Neben den Grünen hatten auch Ärzteverbände das Vorhaben kritisiert. Kinderärzte und Geriater befürchten zum Beispiel, dass bei der Zusammenlegung der Ausbildungen das Fachwissen von Kinderkrankenpflegern und Altenpflegern in Teilen verloren geht.
© hil/sb/may/aerzteblatt.de

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