Medizin
Gerauchte Zigaretten hinterlassen pro Schachtel und Jahr hunderte von Mutationen
Freitag, 4. November 2016
Hinxton/Los Alamos – Genetiker können den Genen einer Krebszelle ansehen, ob der Tumor durch das Rauchen ausgelöst wurde. Ein Forscherteam stellt in Science (2016; 354: 618-622) mehrere für den Raucherkrebs typische genetische Fingerabdrücke vor und errechnet die Zahl der Mutationen, die das Rauchen pro Jahr in menschlichen Zellen hinterlässt.
Bei jedem Lungenzug führt ein Raucher seinem Körper mehr als 7.000 Chemikalien zu, von denen etwa 70 als krebserregend bekannt sind. Die einzelnen Karzinogene verursachen an unterschiedlichen Stellen des Genoms Mutationen. Bei Benzo(a)pyren, einem der wichtigsten Karzinogen im Tabakrauch, sind es häufig Basen-Austausche von Cytosin nach Adenin und von Guanin nach Thymidin.
In dem Tumor, den das Rauchen auslöst, ergibt dies später eine Art genetischen Fingerabdruck. Da es viele Karzinogene gibt und auch andere Faktoren für den Krebs verantwortlich sein können, ist es schwierig die Fingerabdrücke voneinander zu trennen. Das Team um Ludmil Alexandrov vom Los Alamos National Laboratory benötigte die gesamte Computerleistung des US-Kernforschungszentrums, um die genetischen Daten von 5.243 Krebstumoren zu analysieren. Am Ende konnten sie 30 verschiedene genetische Fingerabdrücke unterscheiden, die sie als Signaturen bezeichnen.
Der Vergleich zwischen den Genomdaten von 2.490 Patienten, die Raucher waren und 1.063 Patienten, die niemals geraucht hatten, ergab, dass Tumore, die durch das Rauchen ausgelöst werden, häufig die gleichen Signaturen aufweisen. Am häufigsten war die Signatur 4. Es war der gleiche genetische Fingerabdruck, der im Labor durch das Karzinogen Benzo(a)pyren erzeugt wird. Die Signatur 4 fand sich sehr häufig beim Lungenkrebs und Kehlkopfkrebs.
Diese Tumore sind in epidemiologischen Studien am deutlichsten mit dem Rauchen assoziiert. Die Odds Ratios reichen von 13 beim Larynxkarzinom, über 22 beim Adenokarzinom der Lunge bis auf über 100 beim nicht-kleinzelligen Plattenepithelkarzinom der Lunge. Die Verteilung der Signaturen auf die einzelnen Krebserkrankungen unterscheidet sich. Die Signatur 4 ist typisch für Lungenkrebs. Die Signaturen 2 und 13 werden häufiger bei Blasenkrebs gefunden.
Wie ausgeprägt die Signaturen sind, hängt stark von der Zahl der Zigaretten ab, die die Patienten in den Jahren zuvor geraucht haben. Alexandrov hat ausgerechnet, wie viele Mutationen das Rauchen einer Schachtel Zigaretten pro Jahr auslöst. In der Lunge waren dies 150 Mutationen, im Kehlkopf 97, im Rachen 39, im Mundboden 23, in der Blase 18 und in der Leber 6. Mit der Akkumulation der Mutationen steigt über die Jahre die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Krebswachstum kommt.
© rme/aerzteblatt.de

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