Medizin
Multiple Sklerose: Neuer PET-Tracer erkennt akute Entzündungsherde im Gehirn frühzeitig
Freitag, 11. November 2016
Münster – Ein neuer PET-Tracer, der den Durchtritt von Leukozyten durch die Blut-Hirn-Schranke anzeigt, kann aktive entzündliche von älteren Läsionen der Multiplen Sklerose (MS) unterscheiden. Die in Science Translational Medicine (2016; doi: 10.1126/scitranslmed.aaf8020) vorgestellten Ergebnisse könnten die Frühdiagnose der Autoimmunerkrankung erleichtern.
Die Diagnose der Multiplen Sklerose wird heute mit der Kernspintomographie (MRT) durch den Nachweis von charakteristischen Läsionen (Plaques) im Gehirn gestellt. Das MRT kann nicht erkennen, ob die Entzündung im Gehirn noch aktiv ist oder ob es sich um eine ältere Narbe handelt. Dies ist im Prinzip mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) möglich, die nach intravenöser Injektion die Anreicherung einer radioaktiv markierten Substanz (Tracer) im Gehirn orten kann. Die Wahl des Tracers bietet einen – wenn auch nur punktuellen – Einblick in die Funktion des Gewebes. Bei Krebserkrankungen zeigt beispielsweise der Tracer 18F-Fluordesoxyglucose an, dass der Tumor vermehrt Glucose zur Energieproduktion verwendet, ein zentrales Kennzeichen vieler Tumore.
Für die Multiple Sklerose fehlte bisher ein guter PET-Tracer, der die aktive Entzündung anzeigt. Forscher des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ der Universität Münster schlagen das Enzym Matrix-Metalloproteinasen (MMP) vor. MMP wird von Immunzellen und Astrozyten in der Gefäßwand des Gehirns immer dann gebildet, wenn Leukozyten die Blut-Hirn-Schranke durchdringen. Diese Situation ist bei der MS im akuten Schub gegeben. Das Team um Lydia Sorokin hatte in einer früheren Studie bei Mäusen mit experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis (EAE) – einem Tiermodell der MS – zeigen können, dass MMP eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung entzündlicher Plaques ist. Ohne MMP gibt es keine Entzündung im Gehirn und nach dem Abklingen der Entzündung verschwindet MMP wieder.
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Die Forscher haben einen Tracer (18F-MMPi) entwickelt, den sie zunächst bei Mäusen mit EAE und später auch bei ersten MS-Patienten eingesetzt haben. Bei akuten entzündlichen Läsionen zeigte die PET eine Anreicherung genau an der Stelle, in der im MRT eine Plaque zu sehen war.
Nach dem Ende des Schubs verschwand die Anreicherung im PET, während das MRT weiter eine Plaque anzeigte. Dabei handelt es sich dann um eine ältere Läsion, die keine entzündliche Aktivität mehr aufweist. Bei einem Patienten mit akutem MS-Schub reicherte sich der Tracer an, noch bevor im betroffenen Bereich im MRT eine Läsion zu sehen war. Die PET mit 18F-MMPi könnte damit das erste Zeichen einer Entzündung sein.
Das Verfahren wird derzeit noch nicht in der klinischen Praxis angewendet. Ob es die Diagnostik von Patienten mit MS verbessern kann, müssen weitere Studien zeigen. © rme/aerzteblatt.de

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