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Politik

Bundestag stimmt für umstrittenes Gesetz über klinische Prüfungen

Freitag, 11. November 2016

Berlin – Mit 357 Ja- und 164 Nein-Stimmen haben die Abgeordneten des Deutschen Bun­destages heute namentlich dem „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ zugestimmt. Das Gesetz passt deut­sches Recht an die Vorgaben der EU-Verordnung über klinische Prüfungen (Nr. 536/2014) an, die die Genehmigung, Durchführung und Überwachung von klinischen Prüfungen europaweit einheitlich und verbindlich regelt.

Umstritten war das Gesetz, weil es künftig in engen Grenzen die klinische Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Erwachsenen erlaubt, auch wenn sie diesen nicht direkt nützt, sondern nur Menschen davon profitieren, die an derselben Krankheit leiden. Vo­raussetzung ist, dass die Probanden zu einer Zeit, als sie noch im Vollbesitz ihrer geisti­gen Kräfte waren, nach ärztlicher Aufklärung eine entsprechende Verfügung verfasst haben.

Die Vorschrift der Probandenverfügung nach ärztlicher Aufklärung hatten Abgeordnete um Georg Nüßlein (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) im Rahmen eines Änderungs­­antra­ges in das Gesetz eingebracht. Der Bundestag stimmte diesem am 9. November nach ei­ner emotional geführten Debatte mit 330 zu 243 Stimmen zu. Ebenfalls angenommen wur­de ein Antrag von Hubert Hüppe (CDU), der klarstellt, dass nichteinwilligungsfähige Kinder oder Erwachsene die Teilnahme an einer klinischen Prüfung jederzeit ablehnen können und dies gegebenenfalls auch nonverbal äußern können.

Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften wer­den dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zufolge insbesondere die nationalen Zuständigkeiten und Verfahren für die Genehmigung klinischer Prüfungen geregelt: Zu­ständige Behörden sind weiterhin das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin­pro­duk­te (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Die Ethikkommissionen der Bundesländer sind, wie bisher, maßgeblich an der Genehmi­gung klinischer Prüfungen beteiligt. Sie werden zukünftig beim BfArM registriert. Ohne die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission zu nationalen Aspekten werde es kei­ne klinische Prüfung in Deutschland geben, betonte das BMG. Die europaweiten Aspek­te der klinischen Prüfung würden von der Bundesoberbehörde und der Ethikkommission gemeinsam geprüft. Dabei werde sichergestellt, dass die Entscheidung der Ethik­kommis­sion gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung transparent gemacht werde.

Weitere Regelungen des Gesetzes betreffen die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die grundsätzlich nur dann erfolgen darf, wenn die Verschreibung nach ei­nem direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurde. Damit sollen vor allem Fehldiag­nosen verhindert werden, so das BMG.

Die zuständigen Bundesoberbehörden können künftig über die in Deutschland prinzipiell verfügbare Anzahl und Größe von freigegebe­nen Arzneimittelchargen informieren. Da­durch werde den medizinischen Fachgesellschaften ermöglicht, Handlungs­empfeh­lungen zum Umgang mit Liefer- oder Versorgungsengpässen etwa bei Impfstoffen vorzubereiten.

Künftig ist zudem ein begründeter Verdacht auf Arzneimittelfälschungen ein Grund für ei­nen möglichen Arznei­mittelrückruf der Bundesoberbehörden. Vor dem Hintergrund der Er­fahrungen bei der Bekämpfung des Ebolafiebers in Afrika wird darüber hinaus klarge­stellt, dass Ausnahmeregelungen des Arzneimittelgesetzes, wie zum Beispiel die Verwen­dung eines nicht zugelassenen Arzneimittels oder Impfstoffs, auch zum Zweck einer Be­tei­­ligung an internationalen Hilfsaktionen greifen.

Ein Teil des Gesetzes soll dem BMG zufolge Anfang 2017 in Kraft treten, wesentliche Än­de­rungen zum Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen mit Human­arznei­mitteln werden voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2018 wirksam. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. © HK/EB/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Samstag, 12. November 2016, 21:08

Forschung an Nichteinwilligungsfähigen

Ein Gesetz, das künftig in engen Grenzen die klinische Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Erwachsenen erlaubt, auch wenn diese ihnen nicht direkt nützt, sondern nur andere Patientinnen und Patienten (später) davon profitieren, die an vergleichbaren Krankheiten leiden, fällt in jedem verfassungs-juristischen Anfängerseminar als zweifelsohne verfassungswidrig durch.

Die von den Bundestagsabgeordneten (MdB) um Georg Nüßlein (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) zusätzlich geforderte Vo­raussetzung, dass die Probanden zu einer Zeit, als sie noch im Vollbesitz ihrer geisti­gen Kräfte waren, nach ärztlicher Aufklärung eine entsprechende zustimmende Verfügung verfasst haben, ist weltfremd, unpraktisch, ärztlich nicht realisierbar, weil es vorauseilenden Gehorsam fordert, bzw. verführt mit längerem zeitlichen Abstand zur möglichen Umkehrung des sich biografisch entwickelnden und ändernden Patientenwillens.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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