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Rettungskräfte und Mediziner diskutieren Vorgehen bei Terror

Freitag, 11. November 2016

Bonn – Die Terroranschläge in europäischen Städten haben bei Rettungsdiensten und Medizinern in Deutschland eine anhaltende Debatte über die Ausbildung der Helfer, die Ausrüstung der Rettungsfahrzeuge und die Einsatztaktik ausgelöst. „Wir müssen auf sol­che Ereignisse vorbereitet sein, schon allein, um unsere Helfer körperlich, aber auch men­tal zu schützen“, sagte der Bereichsleiter Notfallvorsorge beim Malteser Hilfsdienst, Benedikt Liefländer, heute. Reformbedarf gibt es ein Jahr nach den Anschlägen von Pa­ris an vielen Stellen.

Diskutiert wird etwa die Frage, ob Rettungswagen eine Spezialausrüstung für Terror­situ­a­tionen brauchen. Bayern meint Ja – Nordrhein-Westfalen sagt Nein. „Vonseiten der Landesregierung Nordrhein Westfalen gibt es derzeit keine Empfehlungen zum Mitfüh­ren spezieller Ausrüstungsgegenstände zur Versorgung von Opfern von Terroran­schlägen“, hieß es im Oktober in Düsseldorf. Schließlich gehe es um die Versorgung von Verletzun­gen, wie sie auch nach Unfällen oder Unglücken in Industrieanlagen auftreten könnten.

Die meisten Bundesländer beurteilen dies genauso. Dagegen hatte Berlin seine Rettungs­wagen schon 2013 mit speziellen blutstillenden Medikamenten nachgerüstet. Baden-Württemberg feilt an einem erweiterten Ausrüstungskonzept. Das bayerische Innenministerium empfiehlt den Rettungsdiensten neuerdings Ausrüstungsgegenstände für Sprengstoffanschläge und Schussverletzungen.

Auch die Malteser sehen das so. Bislang sei der Rettungsdienst vor allem mit Herz­infark­­ten oder Schlaganfällen beschäftigt, so Liefländer. Bei Terrorangriffen träten aber ge­häuft Schussverletzungen, Splitterwunden oder großflächige Weichteilverletzungen mit großem Blutverlust auf, bis hin zum Verlust von Gliedmaßen. „Darauf muss man psycho­lo­gisch vorbereitet sein, aber auch mit Verbandsmaterial und medizinischem Gerät“, so der Rettungsdienstexperte.

Mehrere medizinische Fachgesellschaften haben deshalb in den vergangenen Monaten Konferenzen und Fortbildungen veranstaltet, um etwa Chirurgen und Krankenhäuser für die medizinische Versorgung von Terroropfern zu sensibilisieren. Unfallärzte könnten da­bei viel von Bundeswehrkollegen und deren Erfahrungen in Kriegseinsätzen ler­nen.

Derzeit werden neue Ausbildungsformate entwickelt. So hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) eine Handreichung zur Versorgung von Patienten mit stark blutenden Wunden an Armen oder Beinen vorgelegt. Die Fachge­sell­schaft betont darin die Bedeutung sogenannter Tourniquets, die ursprünglich in der Mili­tär­medizin entwickelt wurden, aber zunehmend auch im zivilen Rettungsdienst Verwen­dung fänden. Mit ihnen lassen sich stark blutende Gliedmaßen abbinden, wenn ein Kom­pressionsverband nicht ausreicht oder nicht praktikabel ist.

Auch das Verhalten der Helfer in Terrorsituationen muss geschult werden: „Wenn man auf die Terrorangriffe von Paris schaut, können Opfer verbluten, weil die medizinische Hilfe erst dann einsetzt, wenn die Täter ausgeschaltet sind. Wenn man das verhindern will, muss gegebenenfalls die medizinische Hilfe früher einsetzen, also noch während die Täter bekämpft werden“, beschreibt Liefländer die einsatztaktischen Überlegungen. Da­bei müssten sich die Helfer aber klar machen, dass sie selber bevorzugte Ziele der Terro­risten sein könnten. „Schließlich zielen Terroristen heutzutage darauf, maximalen Schrecken zu verbreiten und dementsprechend Schaden anzurichten.“

Ein Umdenken ist auch mit Blick auf die Versorgungskette notwendig. Bisher werden Ver­letzte – etwa bei einer großen Zahl von Opfern bei Unfällen – zunächst zu einem Be­hand­lungsplatz vor Ort gebracht. Von dort aus erfolgt dann der Transport in Kranken­häu­ser. In Terrorlagen aber müssen die Schwerverletzten so schnell wie möglich in Sicher­heit und in die Kliniken gebracht werden.

Vor dem Hintergrund solcher Fragen plant Bayern als erstes Bundesland die Gründung eines Ausbildungszentrums für die Katastrophen- und Terrorabwehr. Hilfsorganisationen und Sicherheitskräfte sollen besser auf Flüchtlingsströme, Naturkatastrophen und Terroranschläge vorbereitet sein. © kna/aerzteblatt.de

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