Ausland
Tschechische Frauen kämpfen vergeblich um Recht auf Hausgeburt
Dienstag, 15. November 2016
Prag/Straßburg – Immer mehr Frauen in Tschechien wollen ihr Kind nicht mehr in der Klinik zur Welt bringen. Sie wünschen sich eine Geburt im vertrauten und gemütlichen Umfeld der eigenen vier Wände, fernab von grauen Krankenhausfluren. Doch anders als in vielen europäischen Ländern ist eine von Hebammen betreute Hausgeburt zwischen Karlsbad und Brünn ein praktisch unerfüllbarer Wunsch.
Dagegen hatten zwei tschechische Mütter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geklagt. Heute mussten sie eine Niederlage einstecken. Die Richter der Großen Kammer betonten den „Gestaltungsspielraum“ der Einzelstaaten. Es gebe keinen „europäischen Konsens“ über den Sinn von Hausgeburten.
Zuzana Candigliota von der Liga der Menschenrechte zeigte sich in Prag enttäuscht, betonte aber, das Gericht habe den Staat immerhin dazu aufgerufen, die tschechische Geburtshilfe auf den Stand der neuesten medizinischen und wissenschaftlichen Entwicklung zu bringen. Sie wolle nun an den UN-Ausschuss gegen Frauendiskriminierung appellieren.
Eine der Klägerinnen, Sarka Dubska, brachte ihr erstes Kind im Krankenhaus zur Welt. Beim nächsten Kind stand ihr Entschluss fest – es sollte eine Hausgeburt werden. Doch weil das Gesundheitssystem für die Kosten einer Hebamme nicht aufkommen wollte, war die Frau auf sich gestellt. Am Ende brachte sie zwei weitere Kinder nur mit der Hilfe ihres Mannes zur Welt – ganz ohne geschultes Personal. Doch lieber hätte sie professionelle Hilfe zur Seite gehabt. „Nur dann ist die Hausgeburt sicher, günstiger und angenehmer als eine Geburt im Krankenhaus“, sagte sie.
Auch die inzwischen dreifache Mutter Alexandra Krejzova konnte keine Hebamme finden, die zu einer Hausgeburt gekommen wäre. „Das tschechische Geburtshilfe-System erniedrigt Frauen und spricht ihnen die Kompetenz ab, über sich und ihre Kinder zu entscheiden“, beklagte Krejzovas Anwältin Adela Horejsi.
Zwar sind Hausgeburten in Tschechien nicht gesetzlich verboten. Doch brauchen Hebammen eine Genehmigung der Gesundheitsbehörden, die nach Angaben der Betroffenen kaum zu beschaffen ist. „Die Behörden üben Druck auf die Hebammen aus und versuchen, sie mit der Androhung von Ordnungsgeldern einzuschüchtern“, sagte Candigliota. Selbst die Eintragung des Kindes beim Standesamt ist mit Schwierigkeiten verbunden.
Der Trend scheint dennoch nicht aufzuhalten zu sein. „Geschätzt geht es um mindestens tausend Frauen im Jahr, denn die Zahl der Hausgeburten nimmt zu, vor allem in Prag“, sagte Candigliota. Es entbehre jeder Logik, ihnen keine Hebamme zur Seite zu stellen.
Beim europäischen Spitzenreiter, den Niederlanden, kommt bereits ungefährt jedes dritte Baby zu Hause zur Welt. In Deutschland sind es weniger als zwei Prozent der Kinder. Zwar werden dort die Kosten von den Krankenkassen übernommen, vielen Hebammen bereiten aber die seit Jahren steigenden Beiträge zur Haftpflichtversicherung Probleme.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht größtmögliche Sicherheit für Mutter und Kind gemäß früherer Angaben nur in einer Geburtsklinik als gegeben an. Nur dort könne auf unvorhersehbare Notsituationen sofort reagiert werden. Auch die tschechische Ärzteschaft lehnt Hausgeburten als zu risikoreich ab. Der Prager Gynäkologieprofessor Pavel Calda sprach gar von einem „egoistischen Abenteuer von Frauen, die sich ohne Rücksicht auf Risiken nach eigenen Erlebnissen sehnen“. © dpa/aerzteblatt.de

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