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Medizin

Globaler Report: Arterielle Hypertonie verlagert sich in ärmere Länder

Mittwoch, 16. November 2016

dpa

London – Die arterielle Hypertonie hat sich in den letzten vier Jahrzehnten von einer Wohlstandserkrankung der reicheren Länder zunehmend zu einem Gesundheits­problem in ärmeren Regionen entwickelt. Dies geht aus einer Analyse der NCD Risk Factor Collaboration im Lancet (2016; doi: 10.1016/S0140-6736(16)31919-5) hervor.

Die NCD Risk Factor Collaboration ist eine Gruppe von Epidemiologen, die für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Entwicklung von nicht übertragbaren Erkran­kungen (NCD) analysiert. Hintergrund ist ein Aktionsplan, den die WHO auf der Welt­gesundheitsversammlung 2013 beschlossen hat. Er sieht unter anderem vor, dass die Prävalenz der arteriellen Hypertonie zwischen 2010 und 2035 um 25 Prozent gesenkt werden soll. Um eine Ausgangsbasis zu schaffen, wurde das Team um Majid Ezzati vom Imperial College London beauftragt, die Entwicklung in den letzten 40 Jahren zu analy­sieren. Dazu wurden 1.479 Studien mit Messdaten zu 19,1 Millionen Erwachsenen ausgewertet.

Bezogen auf die absoluten Zahlen hat sich die Situation seit 1975 deutlich verschlech­tert. Hatten 1975 noch schätzungsweise 594 Millionen Menschen einen Blutdruck von über 140/90 mmHg, so waren es im Jahr 2015 vermutlich bereits 1,13 Milliarden. Dies ist jedoch in erster Linie eine Folge der demografischen Entwicklung mit einer Zunahme der Weltbevölkerung und einem Anstieg der Lebenserwartung.

Der Anteil der Erwachsenen mit einer arteriellen Hypertonie ist nämlich gesunken. Hatten 1975 noch 29,5 Prozent der Männer einen zu hohen Blutdruck, waren es 2015 noch 24,1 Prozent. Bei den Frauen kam es zu einem Rückgang von 26,1 auf 20,1 Prozent. Den größten Rückgang gab es in reicheren Ländern im westlichen Kulturkreis und in Ostasien. In ärmeren Ländern Afrikas und Südasiens ist der Anteil dagegen gestiegen. Auch in Osteuropa ist die arterielle Hypertonie ein ungelöstes Problem.

Die wenigsten Hypertoniker (bezogen auf die Bevölkerung) gibt es in Südkorea, Kanada, den USA, Peru, Großbritannien, Singapur und Australien. Der Anteil liegt dort alters­standardisiert bei den Frauen unter 13 Prozent und bei Männern unter 19 Prozent. Das andere Extrem bilden bei den Männern einige Länder in Mittel- und Osteuropa. In Kroatien, Lettland, Litauen, Ungarn und Slowenien sind mehr als 35 Prozent der Männer hyperton. Bei den Frauen ist der Anteil in einigen Ländern in Westafrika am höchsten. In Niger, Tschad, Mali, Burkina Faso und Somalia haben mehr als 33 Prozent einen zu hohen Blutdruck. Zahlen zu Deutschland enthält der Bericht nicht.

Die Gründe für die günstige Entwicklung in westlichen Ländern und in Ostasien konnte der Report nicht ermitteln. Die Risikofaktoren für eine arterielle Hypertonie sind vielfältig und in den einzelnen Ländern vermutlich sehr unterschiedlich. In ärmeren Ländern in Südasien und in Afrika südlich der Sahara könnte eine Mangelernährung im Mutterleib oder in den ersten Lebensjahren ein wichtiger Auslöser für eine Hypertonie im Erwach­se­nenalter sein, vermutet Ezzati.

Auch der hohe Salzkonsum (zum Konservieren von Nahrungsmitteln) könnte eine Rolle spielen. In den reicheren Ländern ist die Ernährung gesünder und auch das Bewusst­sein über die Gefahren der Hypertonie ist gestiegen. Screening und Behandlung der arteriellen Hypertonie könnten sich hier ausgewirkt haben.

Wie stark sich das Bewusstsein in den westlichen Ländern geändert hat, zeigt der Rückblick auf ein Fachbuch aus dem Jahr 1966. In „Diseases of the Heart“ (Saunders Company) vertrat der Kardiologe Charles Friedberg noch die Ansicht, dass die Behandlung von Personen mit einem Blutdruck von unter 200/100 mmHg nicht indiziert sei. © rme/aerzteblatt.de

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