Medizin
RNA-Interferenz-Wirkstoff senkt Cholesterinwert über sechs Monate
Mittwoch, 16. November 2016
Cambridge/Massachusetts – Ein neuartiger Wirkstoff, der über eine RNA-Interferenz die Expression des Gens für den Cholesterin-Regulator PCSK9 in der Leber verhindert, hat in einer Phase-1-Studie den Cholesterinwert über bis zu 180 Tage gesenkt, wie die jetzt im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1609243) publizierten Ergebnisse zeigen.
Die Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9, abgekürzt PCSK9, ist Ärzten als Ziel für die Senkung des LDL-Cholesterins bekannt. Seit dem letzten Jahr sind mit Evolocumab und Alirocumab zwei monoklonale Antikörper zugelassen, die den Abbau von LDL-Rezeptoren hemmen und dadurch die Aufnahme von Cholesterin in der Leber fördern.
Das LDL-Cholesterin im Blut sinkt deutlich. Die Wirkung der beiden Antikörper ist zeitlich begrenzt. Die subkutanen Injektionen müssen alle zwei Wochen wiederholt werden. Deutlich längere Intervalle verspricht ein Wirkstoff, den die Firma Alnylam Pharmaceuticals in Cambridge im US-Staat Massachusetts entwickelt hat und der als Inclisiran jetzt erstmals am Menschen getestet wurde.
Inclisiran ist ein Konjugat aus zwei Bestandteilen. Der erste Bestandteil ist ein sogenanntes Small interfering RNA (siRNA). Das sind kleine RNA-Moleküle, die sich im Zellkern gezielt mit der Messenger-RNA eines Gens verbinden und seine Umsetzung in ein Protein verhindern. Die Technik wird als RNA-Interferenz bezeichnet. Sie gilt als äußerst vielversprechend. Ihre Entdecker erhielten 2006 den Medizinnobelpreis. Die potenziellen Anwendungsgebiete reichen von Wirkstoffen gegen Virusinfektionen über Krebsmedikamente bis zu Herz-Kreislauf-Medikamenten. Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Der zweite Bestandteil von Inclisiran ist ein „tri-antennäres“ N-Acetylgalactosamin. Es handelt sich um ein komplexes Zuckermolekül, das am Asialoglycoprotein-Rezeptor der Leberzellen bindet. Seine Aufgabe besteht darin, das siRNA in die Leberzellen zu lotsen, wo sich der Cholesterinregulator PCSK9 befindet, der auf Ebene der Messenger-RNA ausgeschaltet werden soll.
zum Thema
- Abstract der Studie im NEJM
- Pressemitteilung des Herstellers
- Registrierung der Phase-1-Studie
- Registrierung der Phase-2-Studie
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Dass dies im Prinzip möglich ist, hatten präklinische Studien gezeigt. In Großbritannien wurde Inclisiran daraufhin in einer randomisierten Phase-1-Studie an 69 Probanden getestet, deren Ergebnisse Kevin Fitzgerald und Mitarbeiter vom Hersteller Alnylam jetzt vorstellen. Die Phase-1-Studie soll zunächst nur die Verträglichkeit des Wirkstoffs testen. Laut Fitzgerald wurden Dosierungen von bis zu 300 mg gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Husten, Muskel-Skelett-Schmerzen, Nasopharyngitis, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Durchfall. Nach der Gabe von 500 mg kam es bei einem Patienten zu einem Anstieg der Leberenzyme.
Die Dosis von 300 mg senkte die Plasmakonzentration der PCSK9-Proteine nach 84 Tagen um 75 Prozent. Gleichentags senkte eine Dosis von 100 mg das LDL-Cholesterin um 51 Prozent. Unter der höheren Dosis blieb die Wirkung über 180 Tage erhalten.
Der Hersteller hat mit dem Pharmakonzern „The Medicines Company“ bereits eine Phase-2-Studie begonnen, deren erste Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Heart Association in New Orleans vorgestellt werden sollen. Inclisiran wird dort an 501 Patienten mit Placebo verglichen. Die Behandlungsintervalle betragen 90 Tage. Fitzgerald könnte sich aber vorstellen, dass auch Behandlungsintervalle von 180 Tagen möglich sein könnten. © rme/aerzteblatt.de

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