Medizin
Steroid-Injektion ins Mittelohr stoppt Morbus Ménière in Vergleichsstudie
Freitag, 18. November 2016
London – Ein therapierefraktärer Morbus Ménière, der die Patienten durch häufige und unvorhersehbare Schwindelattacken quält, kann häufig durch wenige intratympanale Injektionen geheilt werden, wobei Methylprednisolon in einer randomisierten Vergleichsstudie im Lancet (2016; doi: 10.1016/S0140-6736(16)31461-1) ebenso gute Ergebnisse erzielte wie das ototoxische Gentamycin.
Die genaue Ursache des Morbus Ménière ist nicht bekannt. Die meisten Experten vermuten heute eine Stoffwechselstörung der Endo- oder Perilymphe, mit denen die Gänge und Hohlräume des Innenohres gefüllt sind. Die Erkrankung, die einen sehr wechselhaften Verlauf haben kann, wird zunächst mit nicht destruktiven Mitteln behandelt, wobei Diäten oder die Behandlung mit Diuretika häufig erfolgreich sind.
Erst wenn es über die Jahre zu keiner Besserung kommt, wird eine definitive Therapie angestrebt. Sie bestand bisher in der Injektion von Gentamycin in das Mittelohr. Das Antibiotikum diffundiert von der Paukenhöhle ins Innenohr, wo es die Sinneszellen im Gleichgewichtsorgan und leider auch häufig im Hörorgan zerstört. Die Behandlung beseitigt zwar zuverlässig und auf Dauer den Schwindel. Bei vielen Patienten kommt es zu einer Innenohrschwerhörigkeit, die spätestens dann zum Problem wird, wenn das andere Innenohr behandelt werden muss.
Als Alternative werden seit einigen Jahren Steroid-Injektionen durchgeführt, die das Innenohr nicht schädigen sollen. Es bestanden jedoch Zweifel an der Wirksamkeit, die jetzt durch eine Studie der britischen Ménière’s Society ausgeräumt werden können.
An zwei Kliniken in London und Leicester erhielten in einer Doppelblind-Studie 60 Patienten mit therapierefraktärem Morbus Ménière im Abstand von zwei Wochen zwei intratympanale Injektionen, die in einer Gruppe Methylprednisolon oder Gentamycin enthielten. Die Patienten wurden über zwei Jahre nachbeobachtet.
Wie das Team um Adolfo Bronstein vom Imperial College London berichtet, sank während dieser Zeit die Zahl der Schwindelattacken in den letzten sechs Monaten in der Gentamycin-Gruppe von 19,9 auf 2,5, was einer Reduktion um 87 Prozent entspricht. In der Methylprednisolon-Gruppe kam es zu einem Rückgang um 90 Prozent von 16,4 auf 1,6 Schwindelattacken. Der Effekt trat in der Regel nach zwei Injektionen auf. Nur wenige Patienten benötigten weitere Behandlungen.
Beide Therapien wurden gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infektionen im Mittelohr, die aber ohne gravierende Folgen blieben. Hörstörungen traten bisher auch nach der Gabe von Gentamycin nicht auf. Es ist allerdings bekannt, dass die ototoxische Wirkung des Aminoglykosid mit deutlicher Verzögerung einsetzt. © rme/aerzteblatt.de

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