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Medizin

Europäischer Antibiotikatag: ECDC warnt vor Versagen der letzten Antibiotika

Freitag, 18. November 2016

Klebsiella pneumoniae /dpa

Stockholm – Die Häufigkeit von Antibiotikaresistenzen hat im letzten Jahr in Europa weiter zugenommen. Sorgen bereiten laut einem Bericht des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) anlässlich des Europäischen Antibiotikatags vor allem Carbapenem-Resistenzen bei Klebsiella pneumoniae. Bei einzelnen dieser Erreger versagen inzwischen auch Polymyxine wie Colistin. In dieser Situation geben es für die Patienten keine wirksamen Antibiotika mehr, heißt es in einer Stellungnahme des ECDC.

Carbapeneme sind Beta-Laktam-Antibiotika mit einem breiten antimikrobiellen Wirk­spektrum. Dem ersten Vertreter Imipenem (1984) folgten in den letzten Jahren weitere Vertreter, die parenteral appliziert werden müssen und deshalb vor allem in Kranken­häusern bei gefährlichen Infektionen zum Einsatz kommen. Dies hat zu einer Zunahme von Resistenzen geführt, von denen Enterobakterien betroffen sind und hier vor allem Klebsiella pneumoniae. Diese Bakterien haben die Fähigkeit erworben, die Antibiotika durch das Enzym Carbapenemase zu zerstören.

Die Keime haben sich laut dem European Survey of Carbapenemase-Producing Enterobacteriaceae (EuSCAPE) vor allem in Südeuropa ausgebreitet. In Italien, Griechenland und der Türkei sind sie inzwischen endemisch (Stadium 5), das heißt sie treten an allen Kliniken des Landes mehr oder weniger häufig auf. Das wird allerdings nicht immer erkannt, weil  die Labore nicht über die notwendigen Nachweisfahren verfügen.

Nach Norden hin nimmt die Häufigkeit ab. In Schweden und Finnland wurde der Keim bisher nur vereinzelt nachgewiesen. Für Deutschland nimmt das ECDC eine regionale Verbreitung an (Stadium 3). Die Antibiotika-Resistenz-Surveillance schätzt, dass der Anteil der K. pneumoniae mit einer Resistenz auf Meropenem von 0,1 Prozent im Jahr 2010 auf 0,5 Prozent im Jahr 2014 zugenommen hat. Europaweit ist die Situation wesentlich ungünstiger, und es besteht eine klare Tendenz zu einer weiteren Verschlechterung. Die ECDC schätzte, dass der Anteil von K. pneumoniae mit Carbapenem-Resistenz von 6,2 Prozent im Jahr 2012 auf 8,1 Prozent im Jahr 2015 angestiegen ist.

Bei einer Resistenz auf Carbapeneme können Ärzte auf Colistin zurückgreifen, ein älteres Polymyxin-Antibiotikum, das wegen seiner schlechten Verträglichkeit lange Zeit kaum eingesetzt wurde und das deshalb nicht von Resistenzen betroffen war. Der Einsatz von Colistin hat sich laut ECDC in den letzten Jahren verdoppelt und als Folge sind erste Resistenzen gegen Colistin aufgetreten. Für Patienten, die mit diesen Erregern infiziert sind, gibt es laut ECDC keine therapeutische Option mehr.

Der nächste Erreger, der von einer Carbapenem-Resistenz betroffen sein könnte, ist E. coli. Das EuSCAPE hat Isolate aus 455 Kliniken untersucht, die jeweils zehn Isolate von K. pneumoniae und E. coli eingeschickt hatten, die auf Carbapeneme unempfindlich waren. Bei 37 Prozent der K. pneumoniae-Isolate wurden Carbapenemasen entdeckt. Bei den E. coli-Isolaten betrug der Anteil 19 Prozent (Lancet Infectious Diseases 2016; doi: 10.1016/S1473-3099(16)30257-2).

Die Zunahme von Resistenzen kann laut ECDC durchaus verhindert werden. Die wichtigsten Gegenmaßnahmen seien die Bildung einer nationalen Task Force, die Einstellung von Hygienefachkräften (Schlüssel 1 zu 250 Betten, besser noch 1 zu 100 Betten), ein aktives Screening von Risikopatienten, die konsequente Isolierung in Einzelbettzimmern und Handhygiene. Die Handhygiene ist für das ECDC die wichtigste Einzelmaßnahme gegen die Ausbreitung von Keimen.

Dass Gegenmaßnahmen erfolgreich sein können, zeigt sich nicht nur in Einzelfällen, in denen Ausbrüche mit Carbapenem-resistenten Bakterien an Kliniken gestoppt werden konnten. Auch die Entwicklung beim Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) stimmt optimistisch. Das ECDC verzeichnet zwischen 2012 und 2015 einen deutlich rückläufigen Trend in Europa, der laut Robert Koch-Institut (RKI) auch in Deutschland erkennbar ist. Trotz dieser positiven Entwicklung bleiben MRSA jedoch von hoher Priorität für die öffentliche Gesundheit. In acht von dreißig europäischen Ländern liege der Anteil der resistenten Keime bei über 25 Prozent, schreibt das ECDC.

In Deutschland sind laut RKI etwa 16.000 der jährlich etwa 500.000 nosokomialen Infektionen auf multiresistente Erreger zurückzuführen. Davon entfielen 11.000 Infektionen auf MRSA, 4.000 Infektionen auf Vancomycin-resistente Enterokokken, 8.000 Infektionen auf multiresistente Escherichia coli, 2.000 Infektionen auf multiresistente K. pneumoniae und etwa 4.000 Infektionen auf multiresistente Pseudomonas aeruginosa. Etwa 1.500 Fälle, entsprechend 0,3 Prozent aller nosokomialen Infektionen in Deutschland sind laut RKI auf multiresistente Erreger zurückführen, die gegen fast alle Antibiotikaklassen resistent sind.

© rme/aerzteblatt.de

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