Medizin
Intensivmedizin: Akutes Nierenversagen erhöht Sterberisiko von Kindern und Jugendlichen
Dienstag, 22. November 2016
Cincinnati – Eines von vier Kindern, das auf einer pädiatrischen Intensivstation behandelt wird, entwickelt eine akute Nierenschädigung, die den Krankenhausaufenthalt verlängert und das Sterberisiko erhöht. Dies geht aus einer internationalen Beobachtungsstudie im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1611391).
Die Nieren von Kindern und Jugendlichen sind frei von Schädigungen, die im Laufe des Lebens durch chronische Erkrankungen entstehen. Viele pädiatrische Intensivmediziner unterschätzen deshalb möglicherweise die Gefahr, die eine akute Nierenschädigung für ihre Patienten bedeuten könnte. Die Ergebnisse der AWARE-Studie (Worldwide Acute Kidney Injury, Renal Angina, and Epidemiology) könnten dies jetzt ändern.
Für die Studie wurden auf 32 pädiatrischen Intensivstationen aus neun Ländern (keine deutsche Beteiligung) Daten zu 4.683 Patienten im Alter zwischen 3 Monaten und 25 Jahren gesammelt. Die Stationen verpflichteten sich, die Nierenfunktion ihrer Patienten nach den KDIGO-Kriterien zu ermitteln.
Diese definieren ein akutes Nierenversagen durch den Anstieg des Serumkreatinins um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder um mindestens das 1,5-Fache eines bekannten oder angenommenen Ausgangswerts innerhalb von 7 Tagen. Ein Nierenversagen liegt laut den KDIGO-Kriterien unabhängig von den Laborwerten auch dann vor, wenn die Urinausscheidung über mehr als sechs Stunden auf weniger als 0,5 ml/kg/Stunde gefallen ist.
Um die Urinproduktion genau zu messen, wird in der Regel ein Blasenkatheter gelegt. Viele Zentren vermeiden dies heute aufgrund des damit verbundenen Infektionsrisikos. Damit bleibt das Serumkreatinin die wichtigste Bezugsgröße und in der Regel sind mehrere Messungen notwendig, um ein akutes Nierenversagen in den ersten Tagen auf der Intensivstation zu erkennen.
Die AWARE-Studie zeigt jedoch, dass ein akutes Nierenversagen bei pädiatrischen Intensivpatienten häufig ist. Wie das Team um Stuart Goldstein vom Cincinnati Children's Hospital berichtet, erfüllten 1.261 von 4.683 Patienten (26,9 Prozent) die KDIGO-Kriterien. Bei 543 Patienten (11,6 Prozent) lag sogar eine schwere Nierenschädigung vor. Die KDIGO-Kriterien definieren es als Anstieg des Serumkreatinins auf das 2,0- bis 2,9-Fache des Ausgangswerts oder ein Anhalten der geringen Urinausscheidung über mehr als 12 Stunden.
Diese schwere akute Nierenschädigung war nach Berücksichtigung von 16 anderen möglichen Einflussfaktoren mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Die adjustierte Odds Ratio betrug 1,77 und war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,17 bis 2,68 statistisch signifikant. Dass sie auch klinisch relevant ist, zeigt sich daran, dass 60 der 543 Patienten (11,0 Prozent) in den ersten 28 Tagen starben. Von den 4.140 Patienten ohne schwere Nierenschädigung starben dagegen nur 195 Patienten (2,5 Prozent).
Ohne den Blasenkatheter wäre das akute Nierenversagen in vielen Fällen übersehen worden. Insgesamt 355 von 528 Patienten (67,2 Prozent), bei denen die Diagnose aufgrund der niedrigen Urinproduktion gestellt wurde, hatten keine auffälligen Kreatininwerte.
Goldstein regt aufgrund der Ergebnisse an, die Nierenfunktion (auch mittels Blasenkatheter) auf Intensivstationen genau zu beobachten. Ob eine frühzeitige Dialyse die Prognose verbessern würde, konnte die Studie nicht untersuchen.
Als Beobachtungsstudie kann sie letztlich nicht zweifelsfrei belegen, dass das akute Nierenversagen und nicht andere Begleitfaktoren für das erhöhte Sterberisiko verantwortlich ist. Unklar ist, welche Langzeitfolgen das akute Nierenversagen für die Patienten hat, deren Nierenfunktion sich wieder erholt. © rme/aerzteblatt.de

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