Ärzteschaft
Geriatrieversorgung: Ärztekammer Bremen beschließt Positionspapier
Mittwoch, 23. November 2016
Bremen – Die Landesärztekammer (LÄK) Bremen will zukünftig die Versorgung geriatrischer Patienten verbessern. Eine Arbeitsgruppe hat dazu ein Positionspapier erarbeitet, das die Delegierten nun mit großer Mehrheit verabschiedet haben. Das Konzept will Kammerpräsidentin Heidrun Gitter mit in die Gespräche des sogenannten gemeinsamen Landesgremiums nehmen, das Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Fragen der ambulanten und stationären Versorgung aussprechen kann. Dort befasst sich laut LÄK eine Arbeitsgruppe auf Wunsch des Sozialminsteriums in Bremen mit dem Thema „Geriatrische Versorgung“.
Zum Hintergrund: Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer hatte bereits in ihrer Sitzung am 22. Februar 2016 – mit den Stimmen des Hausärzteverbands – beschlossen, eine Arbeitsgruppe „Altersmedizin“ einzusetzen, um ein eigenes Konzept in den Prozess einzubringen. Mitglieder der Arbeitsgruppe waren drei als Hausärztinnen niedergelassene Fachärztinnen für Allgemeinmedizin, eine hausärztlich tätige Internistin, zwei Internisten mit der Zusatzbezeichnung Geriatrie aus dem stationären Bereich sowie Ärztekammerpräsidentin Gitter.
Oberste Priorität hat es dem Positionspapier zufolge, den älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben und Teilhabe zu ermöglichen. Dafür reiht die LÄK einige Ansätze auf, die dafür notwendig sind. Demnach müssen unter anderem die Quartiere gestärkt werden. Dort fehlen zum Beispiel vielfach Tagespflegekonzepte oder Tagespflegeeinrichtungen. Vorgeschlagen werden auch Gemeindeschwestern, die für eine bestimmte Zeit bei akuter Erkrankung die Versorgung geriatrischer Patienten übernehmen. Für die Versorgung von Heimpatienten fordern die Delegierten unter anderem qualifizierte Ansprechpartner in der Pflege in ausreichender Zahl und eine verbesserte Kommunikation zwischen Arzt und Pflegekräften.
Darüber hinaus sollen dem Konzept zufolge Patienten, die einen geriatrischen Behandlungsbedarf haben, künftig besser identifiziert werden. Dazu sollen Hausärzte in Bremen bestimmte Patienten in einem speziellen Assessment untersuchen. Sie entscheiden danach, ob für diese Patienten eine spezialisierte geriatrische Versorgung in einer Schwerpunktpraxis notwendig ist. Dabei handelt es sich um eine „vernetzte, auf die Bedürfnisse geriatrischer Patienten abgestimmte Versorgungsstruktur mit einem multiprofessionellen Team unter ärztlicher Leitung“, heißt es in dem Papier. Dazu gehörten Pflegende, Physio- und Ergotherapeuten und Logopäden sowie andere Institutionen wie zum Beispiel der Sozialdienst.
Die Hausärzte erhalten in dem Konzept, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt, eine Schlüsselrolle. Sie entscheiden auf Basis ihres Assessments, ob eine Behandlung durch einen geriatrischen Spezialisten erforderlich ist. Einen Direktzugang zu den Spezialisten soll es in Bremen nicht geben. Die Zuweisung soll vom Hausarzt erfolgen, der die Therapieempfehlungen des Geriaters auch koordinieren und den Behandlungserfolg kontrollieren soll. Damit sich die Spezialisten nur auf die wirklich schwierigen Fälle konzentrieren könnten, solle der Zugang ausschließlich über den Hausarzt möglich sein, erklärte LÄK-Präsidentin Heidrun Gitter im Gespräch mit dem DÄ.
zum Thema
aerzteblatt.de
- Ambulante geriatrische Versorgung: KBV stellt Konzept vor
- Weltseniorentag: Gesundheit als Herausforderung einer alternden Gesellschaft
- Ältere Patienten erhalten immer weniger riskante Medikamente
- Nach Unfall: Alte Menschen benötigen ganzheitliche Betreuung
- Mit Demenz im Krankenhaus: Farbkontraste und Tagesstruktur verbessern Symptome
Obwohl das Papier die Rolle des Hausarztes stärkt, übte der Hausärzteverband (HÄV) Bremen gestern deutliche Kritik an dem Konzept. „Wenn das, was die Ärztekammer Bremen beschlossen hat, tatsächlich Teil der Versorgungswirklichkeit wird, dann würden ältere Patienten nicht nur aus ihrer vertrauten hausärztlichen Versorgung herausgerissen, sie würden auch zum Spielball eines immer unübersichtlicheren Gesundheitswesens“, sagte Hans-Michael Mühlenfeld, 1. Vorsitzender des Hausärzteverbandes Bremen. Es sei „ein starkes Stück“, dass sich eine Landesärztekammer anmaße, „vollkommen undifferenziert Assessments und Weiterbehandlungen für ältere Patienten festzulegen“.
Gitter kann die Kritik nicht nachvollziehen. Sie weist die Vorwürfe „nachdrücklich als falsch“ zurück. „Die beiden Delegierten des Hausärzteverbandes Bremen haben das Papier der Arbeitsgruppe zur medizinischen Versorgung älterer Menschen offenbar nicht sorgfältig gelesen“, sagte sie dem DÄ. Das Papier beschreibe im Gegenteil sogar eine hausarztzentrierte ärztliche Versorgung alter Menschen unter ausdrücklichem Erhalt der Führung der Hausärzte, auch wenn andere Fachärzte, spezialisierte Geriater oder weitere Therapeuten ambulant oder stationär auf Zuweisung dieser Hausärzte beteiligt würden.
Sie wies darauf hin, dass den Delegierten zudem das fertige Papier 14 Tage vor der Versammlung am 21. November vorgelegen habe. „Vorab gab es keine Reaktionen oder Einwände, auch nicht von den beiden Delegierten des Hausärzteverbandes“, so Gitter. Ihrer Meinung nach verdiene die engagierte Arbeit der Arbeitsgruppenmitglieder „einen wertschätzenden Umgang und eine sachliche Auseinandersetzung“.
Gitter betonte zugleich, dass weiterhin Ergänzungen des Papiers möglich sind. Alle Delegierten seien gebeten worden, für die nächste Versammlung entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, die in der Arbeitsgruppe weiter diskutiert werden könnten. Die Kritiker des HÄV seien ausdrücklich aufgefordert, konkrete Vorschläge einzubringen, hieß es. © may/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

