Politik
Baden-Württemberg: Engpässe in Frauenhäusern gefährden Opfer von Gewalt
Donnerstag, 24. November 2016
Stuttgart – Sie werden unterdrückt, getreten oder geschlagen. Tausende Frauen sind jedes Jahr Opfer von häuslicher Gewalt. Aber die Frauenhäuser im Südwesten leiden unter Unterfinanzierung und müssen Hilfsbedürftige abweisen. SPD-Landeschefin Leni Breymaier fordert anlässlich des morgigen Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen vom Land eine finanzielle Absicherung der Frauenhäuser. Das Sozialministerium stellte unterdessen eine dauerhafte Absicherung der Frauenhausfinanzierung in Aussicht.
Viele schutzbedürftige Frauen fielen wegen der komplizierten Finanzierung durch das Raster und müssten sich weiter gefährlichen Situationen aussetzen, monierte Breymaier gestern in Stuttgart. Grund: Voraussetzung für die Kostenübernahme der Tagesentgelte durch die Stadt- und Landkreise sowie Jobcenter ist der Bezug von Hartz IV. Dies benachteilige ganze Gruppen von Frauen, etwa Rentnerinnen, Studentinnen oder Berufstätige, die die Kosten selbst tragen müssten, sofern sie sich das leisten können.
Davon waren nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im vergangenen Jahr 161 Frauen mit 118 Kindern betroffen. „Gewalt gegen Frauen kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor“, gab Breymaier zu bedenken. Essenziell sei, dass der Zugang zur Beratung und zur Unterkunft in Frauenhäusern unabhängig von Einkommen, Wohnort und Aufenthaltsstatus sichergestellt werde, betonte Sozialstaatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne).
Die Unterstützung des Landes müsse von bislang 600.000 Euro auf fünf Millionen Euro im Jahr erhöht werden, um diese Lücken zu schließen, forderte die Sozialdemokratin Breymaier. Die derzeitige Landesfinanzierung ist nach Angaben des Verbandes die geringste in Deutschland. Mit 40 Frauenhäusern sei noch nicht einmal in jedem Kreis eine Schutzmöglichkeit vorhanden, sagte Sabine Brommer vom verbandsübergreifenden Arbeitskreis Frauenhausfinanzierung. Sie nahmen im vergangenen Jahr 1.509 Frauen und 1.663 Kinder auf, wobei die Zahlen nicht gravierend von den Vorjahren abweichen. Weiße Flecken seien der Kreis Böblingen, der Südschwarzwald und der Raum Neckar-Odenwald.
Mielich sagte, es gebe bislang keine aussagekräftige landesweite Statistik darüber, ob und wie viele Frauen tatsächlich keinen Platz in einem Frauenhaus bekommen. Dies sei aber für eine verlässliche Planung notwendig. „Gewalt gegen Frauen ist unerträglich und wird von der Landesregierung entschieden bekämpft“, betonte sie. Dabei helfe der Landesaktionsplan.
Der dringend notwendige Ausbau der Zufluchtsstätten werde durch den Finanzierungsmodus mit Tagesentgelten gebremst, erläuterte Breymaier. Dabei seien Leerstände nötig, um überhaupt Frauen aufnehmen zu können. Die Knappheit an Plätzen führe auch dazu, dass Frauen aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und nur in weit entfernten Frauenhäusern oder sogar in anderen Bundesländern Schutz suchen müssten.
Im Großraum Stuttgart sind alle Frauenhäuser voll belegt, jeden Tag müssen ein bis zwei Frauen abgewiesen werden, wie Frauenhaus-Mitarbeiterinnen berichteten. Die Zahl der verfügbaren Plätze von derzeit 695 müsse deutlich erhöht werden, forderte Brommer. Als Richtgröße nennt sie ein Frauenhaus pro 7.500 Einwohner. Dann müssten die Plätze im Südwesten mehr als verdoppelt werden. © dpa/aerzteblatt.de

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