Medizin
Morbus Alzheimer: Antikörper Solanezumab scheitert endgültig in Phase 3-Studie
Donnerstag, 24. November 2016
Indianapolis - Der monoklonale Antikörper Solanezumab, der an Beta-Amyloid bindet und die Ablagerung dieses Proteins im Gehirn verhindern soll, hat erneut in einer klinischen Studie enttäuscht. Der Hersteller gab den endgültigen Abbruch der klinischen Entwicklung bekannt.
Ablagerungen von Beta-Amyloid sind ein histopathologisches Kennzeichen des Morbus Alzheimer und ein Ansatz in der Behandlung der Erkrankung – der in den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach in der Klinik gescheitert ist. Im Jahr 2002 musste die Firma Elan eine klinische Studie aufgrund von Todesfällen abbrechen. Elan hatte einen Impfstoff (AN-1792) entwickelt, der im Körper die Bildung von Antikörpern gegen Beta-Amyloide auslöst. Die Antikörper konnten in tierexperimentellen Studien die Konzentration der pathologischen Proteine senken, sie griffen jedoch offenbar auch normale Bestandteile des Gehirns an. Die Folge waren schwere Hirn- und Hirnhautentzündungen (Meningoenzephalitis), die zum Abbruch der Studie zwangen.
Die Hersteller konzentrierten sich in der Folge auf die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern, die gezielt an Beta-Amyloiden binden, die gesunden Bestandteile des Gehirns jedoch verschonen. Zu diesen Antikörpern gehörte Bapineuzumab, eine Entwicklung von Pfizer und Johnson & Johnson. Der Antikörper schaffte es in einer Phase 3-Studie jedoch nicht, die kognitiven oder funktionalen Fähigkeiten von Alzheimer-Patienten zu verbessern. Die Hersteller gaben 2012 die klinische Entwicklung des intravenösen und ein Jahr später auch die Entwicklung des subkutanen Präparats auf.
Auch der Antikörper Solanezumab des Konkurrenten Eli Lilly enttäuschte in zwei großen Phase 3-Studien (EXPEDITION-1 und -2), an denen mehr als 2.000 Teilnehmer mit leichter bis mittelschwerer Demenz teilgenommen hatten. Solanezumab konnte den Verfall der kognitiven Fähigkeiten gegenüber einer Placebo-Behandlung nicht verlangsamen. Doch bei den Teilnehmern mit den geringsten kognitiven Ausfällen zu Beginn der Studie wurden Hinweise auf einen Effekt im ADAS-Cog 14 beobachtet, der die kognitiven Fähigkeiten misst. Das Signifikanzniveau wurde zwar verfehlt, es gab jedoch Hinweise, dass der Effekt sich mit der Dauer der Therapie verstärken könnte.
Der Hersteller Eli Lilly startete daraufhin im Juli 2013 die Anschlussstudie EXPEDITION-3, an der an 39 Zentren insgesamt 2.100 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz teilnahmen. Auch hier zeichnete sich ein Misserfolg ab. Im März 2016 gab Lilly eine Änderung des primären Endpunktes bekannt. Statt eines Composite aus ADAS-Cog 14 und der funktionellen Skala ADCS-iADL, die die Einschränkungen im Alltagsleben misst, sollte jetzt allein ADAS-Cog 14 genutzt werden.
Doch auch dies scheint das Scheitern der Studie nicht mehr abgewendet zu haben. Wie der Hersteller jetzt mitteilt, trat im primären Endpunkt keine signifikante Wirkung auf. Es habe zwar im primären Endpunkt und auch in den sekundären Endpunkten einen Trend zu einer Verbesserung gegeben (womit beim Morbus Alzheimer eine Verlangsamung des körperlichen und geistigen Verfalls gemeint ist), doch ohne einen statistisch signifikanten Effekt im primären Endpunkt hätte der Hersteller eine Zulassung nicht erreicht. Detaillierte Ergebnisse will der Hersteller auf der Tagung CTAD (Clinical Trials in Alzheimer Disease) in San Diego vorstellen.
Das endgültige Aus von Solanezumab bedeutet nicht das endgültige Scheitern der Immuntherapie beim Morbus Alzheimer: Eine Reihe von Herstellern haben andere Antikörper in der klinischen Prüfung. Besonders vielversprechend scheint Aducanumab von Biogen zu sein. Der Antikörper erzielte in ersten klinischen Studien im Frühstadium einer Alzheimer-Demenz eine deutliche Reduzierung der Ablagerungen in der Positronen-Emissions-Tomographie. Der Hersteller hat inzwischen mit zwei Phase 3-Studien (EMERGE, ENGAGE) mit jeweils 1.350 Probanden begonnen. Mit ersten Ergebnissen wird jedoch nicht vor 2020 gerechnet. © rme/aerzteblatt.de

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