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Medizin

Wie wirksam sind antivirale Arzneimittel bei Influenza?

Freitag, 25. November 2016

Köln – Bei leicht bis moderat verlaufender Influenza verkürzen die verfügbaren antiviralen Arzneimittel, insbesondere die Neuraminidasehemmer (NIs) Oseltamivir und Zanamivir, je nach Patientengruppe die Krankheitsdauer um 0,5 bis 1,5 Tage. Das gilt aber nur, wenn sie innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn angewendet werden.

Dies zeigen die vorliegenden randomisierten kontrollierten Studien, die allerdings auf leichte bis moderate Fälle beschränkt sind, wohingegen eine signifikante Verminderung von schweren Erkrankungsverläufen und Pneumonien für NIs nicht eindeutig nachgewiesen ist, sondern auf der Grundlage von Beobachtungsstudien vermutet wird.

Gleichwohl kommen Regine Lehnert und Koautoren auf Grundlage einer systemati­schen Literaturübersicht in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Dtsch Arztebl Int 2016; 113(47): 799-807; doi: 10.3238/arztebl.2016.0799) insgesamt zu einer positiven Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Neuraminidasehemmer.

Subgruppenanalysen zeigten, dass deren frühzeitige Anwendung bei intensivmedizi­nisch betreuten Erwachsenen und Schwangeren, die an Influenza erkrankt sind, eine deutliche Risikoverminderung bezüglich der Schwere der Erkrankung bewirkt. Grund­sätzlich könnte bei weiteren Risikogruppen eine prophylaktische Therapie aufgrund einer individuellen Indikation angezeigt sein.

Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass es therapeutische Alternativen mit kausalem Ansatz gegen Influenzaviren derzeit nicht gebe. Da nach Ausbruch einer Pandemie bis zur Anwendung eines geeigneten Impfstoffes rund sechs Monate vergehen würden, könnten antivirale Arzneimittel bedeutsam sein, um vor allem in der ersten Welle einer Pandemie die Krankheitslast in der Bevölkerung zu reduzieren.

Gleichzeitig müsse aber die Resistenzentwicklung der Influenza-Viren kontinuierlich beobachtet werden. So konnte man etwa bei den Influenza-Stämmen der Saison 2008/2009 eine fast 100-prozentige Resistenz gegenüber Oseltamivir feststellen können, wohingegen die H1N1-Viren in den Folgejahren fast zu 100 Prozent sensibel waren. © tg/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Sonntag, 27. November 2016, 12:11

Erhellende Neuraminidase-Debatte!

Hier noch einmal mein Kommentar zur Originalarbeit im wissenschaftlichen DÄ-Bereich:

Einer Metaanalyse vom 29. 1. 2015 online in THE LANCET zu Folge, von Joanna Dobson et al. unter dem Titel "Oseltamivir treatment for influenza in adults: a meta-analysis of randomised controlled trials" publiziert, gefördert von der Pharmaindustrie-unabhängigen MUAGS ["Funding - Multiparty Group for Advice on Science (MUGAS) foundation"], bringt Licht in die verworren-widersprüchliche Datenlage um Oseltamivir als Neuraminidase-Hemmer.
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)62449-1/fulltext

Frühere Cochrane-Publikationen vs. Neuraminidasehemmer waren voreingenommen und tendenziös in ihren pseudowissenschaftlichen Argumentationen: Eine BMJ-Publikation "Oseltamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments" (BMJ 2014; 348 doi:http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g2545) vom 10.4.2014 stammt von Tom Jefferson et al.:
Von 23 Literaturangaben beziehen sich 13 auf konkrete Autoren, 10 stammen von Institutionen. In keinem Fall wird eine Placebo-kontrolliert, doppelblinde, randomisierte, kontrollierte (RCT)-Studie zu Oseltamivir zitiert oder diskutiert. Die gesamte BMJ-Publikation bleibt auf der Meta-Ebene von zitierten Metaanalysen. Die Literaturstelle Nr. 13 von Jefferson et al. "Neuraminidase inhibitors for preventing and treating influenza in healthy adults: systematic review and meta-analysis." BMJ2009;339:b5106 kam zu für Oseltamivir u n d Zanamivir überraschend p o s i t i v e n Ergebnissen ["The efficacy of oral oseltamivir against symptomatic laboratory confirmed influenza was 61% (risk ratio 0.39, 95% confidence interval 0.18 to 0.85) at 75 mg daily and 73% (0.27, 0.11 to 0.67) at 150 mg daily. Inhaled zanamivir 10 mg daily was 62% efficacious (0.38, 0.17 to 0.85). Oseltamivir for postexposure prophylaxis had an efficacy of 58% (95% confidence interval 15% to 79%) and 84% (49% to 95%) in two trials of households."].Dieser Widerspruch wurde von den Autoren selbst n i c h t mehr angesprochen und ausdiskutiert.

Eine 2. BMJ-Publikation "Zanamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments" (BMJ 2014; 348 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g2547) vom 10.4.2014 stammt mit Tom Jefferson als Co-Autor vom fast gleichen Autorenteam: Hier stammt die Literaturstelle Nr. 1 ebenfalls von Jefferson et al. mit den für Oseltamivir u n d Zanamivir p o s i t i v e n Ergebnissen.

Die bisherigen meta-analytischen Metaebenen-Analyse von Metaanalysen sind kein wissenschaftlich legitimiertes Vorgehen. Konkrete, Placebo-kontrollierte, randomisierte RCT-Studien zur Wirksamkeit und/oder Nichtwirksamkeit von Neuraminidasehemmern müssen vorgelegt, kritisch analysiert und gewichtet werden.

Denn was tun, wenn ein klinisch perakuter Influenza-Fall vor uns in der Praxis steht? Was mit ungeimpften, direkten Kontaktpersonen machen?

Wohlgemerkt, ich schreibe hier n i c h t über die derzeitigen Heerscharen von Patienten mit "Schnupfen", "Erkältung", katarrhalisch infizierten unteren und oberen Atemwegen, "grippalen Infekten". Im englisch-sprachigen Raum aus Verlegenheit "common flu", "common cold" oder "influenza-like-illness" genannt. Sondern über die im HxNx System an den verschiedenen Influenza-Varianten Erkrankten. Nur und ausschließlich dabei besteht u. U. die Indikation zur Tamiflu® oder Relenza® Therapie, um den klinischen Verlauf abzumildern, abzukürzen. Die konsequente Durchimpfung meiner Patienten/-innen ergänzt die Herdenimmunität, so dass meine Tamiflu®-Therapien nur äußerst selten eingesetzt werden mussten.

In den letzten Influenza-Saisons 2014/15 und 2015/16 hatte ich weniger als je 10 Neuraminidase-Hemmer Therapie-Fälle, u. a. eine hochbetagte, multimorbide und immobile Patientin mit Pneumonie-Anamnese, die bei schwerer klinisch eindeutiger Influenza-Symptomatik mit Oseltamivir von mir erfolgreich behandelt wurde. Vgl. dazu "Comment - Influenza: the rational use of oseltamivir" von H. Kelly und B. J. Cowling http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(15)60074-5/abstract

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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