Medizin
Bauchaortenaneurysma: Späte Operation verschlechtert Überlebenschancen
Freitag, 25. November 2016
London – In England werden Operationen eines abdominalen Aortenaneurysmas deutlich später durchgeführt als in den USA. Die Folge könnte laut einer Studie im New England Journal of Medicine (2016; 375: 2051-2059) eine höhere Sterblichkeit sein.
Da die Ruptur eines abdominalen Aortenaneurysmas in der Regel tödlich ist, wird den Patienten heute zu einer frühzeitigen Reparatur geraten. Dies kann eine offene Operation mit Implantation einer Gefäßprothese sein oder eine endovaskuläre Therapie, bei der über einen Katheter ein Implantat über dem Aneurysma platziert wird.
Die Entscheidung zur Reparatur ist schwierig, da beide Behandlungen riskant sind und zum Tod des Patienten führen können. Die internationalen Leitlinien raten in der Regel zu einer Reparatur, wenn der Durchmesser des Aneurysmas eine bestimmte Größe erreicht hat. Bei Männern sind dies 55 Millimeter und bei Frauen 50 Millimeter.
Dennoch sind die Gepflogenheiten unterschiedlich. In England wurden die Operationen im Jahr 2014 bei Männern durchschnittlich bei einem Durchmesser des Aneurysmas von 63,8 Millimetern durchgeführt. Bei Frauen waren die Aussackungen der Hauptschlagader im Mittel 61,7 Millimeter groß, wie ein Team um Alan Karthikesalingam vom der St. George Universität in London recherchiert hat. In den USA betrug der durchschnittliche Durchmesser im Jahr 2013 bei Männern 58,2 Millimeter und bei Frauen 56,3 Millimeter.
Der Unterschied von etwa 5 Millimetern in beiden Geschlechtern scheint gering zu sein. Er hat aber zur Folge, dass in den USA Operationen des Bauch-Aneurysmas doppelt so häufig durchgeführt werden wie in England. In England kamen zuletzt 31,85 Operationen auf 100.000 Einwohner, in den USA waren es 64,17 Operationen auf 100.000 Einwohner. Karthikesalingam ermittelt eine Odds Ratio von 0,49, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,48 bis 0,49 statistisch hochsignifikant ist.
Die (wegen des allmählichen Wachstums der Aneurysmata) frühere Operation geht nach weiteren Recherchen von Karthikesalingam mit einer deutlich niedrigeren Sterberate einher. Dies betrifft weniger die Todesfälle in der Klinik, die in England mit 2,6 Prozent etwas häufiger sind als in den USA mit 1,8 Prozent. In der 3-Jahres-Überlebensrate gab es zwischen beiden Ländern keine Unterschiede (78,5 Prozent in England und 79,5 Prozent in den USA).
Die Zahl der Aneurysmata, die bevor sie operiert werden konnten rupturierten, ist in England allerdings mehr als doppelt so hoch wie in den USA. In England kommen auf 100.000 Einwohner 16,30 Hospitalisierungen wegen eines rupturierten Aneurysmas, in den USA waren es zuletzt nur 7,29 auf 100.000 Einwohner. Karthikesalingam gibt die Odds Ratio mit 2,23 (2,19-2,27) an. Die gesamte mit den Aneurysmata verbundene Sterblichkeit – hier fließen auch die therapiebedingten Todesfälle ein – war in England sogar mehr als dreimal so hoch wie in den USA: Odds Ratio 3,60 (3,55-3,64).
Die Studie kann zwar nicht eindeutig beweisen, dass die spätere Therapie für die erhöhte Sterblichkeit verantwortlich war. Es könnte andere Einflussgrößen geben, etwa in den Risikofaktoren. Für eine Kausalität spricht allerdings die zeitliche Entwicklung. In beiden Ländern ist die Zahl der Operationen gestiegen und der Durchmesser der Aneurysmata bei der Operation gesunken. In beiden Ländern war dies mit einem Rückgang der Mortalität verbunden. © rme/aerzteblatt.de

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