Medizin
Vedolizumab lindert Darmentzündung bei Checkpoint-Gendefekt
Dienstag, 29. November 2016
Basel – Der Integrin-Antagonist Vedolizumab, der Entzündungszellen am Eintritt in die Darmschleimhaut hindert, hat bei einem Patienten mit einem genetischen Defekt im CTLA-4–Gen eine schwere autoimmune Enterokolitis gelindert. Die im Journal of Allergy and Clinical Immunology (2016; doi: 10.1016/j.jaci.2016.08.042) vorgestellten Ergebnisse könnten auch für Krebspatienten interessant sein, die mit dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab behandelt werden. Eine Nebenwirkung dieses Checkpoint-Inhibitors sind schwere Durchfälle.
Der Forschungsgruppe um Mike Recher vom Universitätsspital Basel war es kürzlich gelungen, die Ursache für eine schwere chronische Darmentzündung zu ermitteln, unter der ein heute 45-jähriger Patient seit vielen Jahren litt. Erste immunologische Untersuchungen hatten auf eine genetisch bedingte Fehlregulation des Immunsystems hingedeutet. Am Universitätsspital Zürich wurde daraufhin das Genom des Patienten analysiert. Die Genetiker entdeckten eine Mutation im CTLA-4-Gen, die die Beschwerden plausibel erklären könnte. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Mutation tatsächlich die Funktion des CTLA-4-Proteins verminderte.
Das CTLA-4-Protein ist ein Rezeptor auf T-Zellen, der als „Checkpoint“ für das Immunsystem agiert. Seine Aufgabe besteht darin, das Immunsystem zu kontrollieren, vor allem aber einen versehentlichen Angriff auf körpereigene Zellen zu verhindern. Damit stand fest, dass es sich bei der entzündlichen Darmerkrankung um eine Autoimmunreaktion handelt, wie sie heute auch als Ursache für den Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa angenommen wird.
Für diese beiden Erkrankungen wurde 2014 ein äußerst effektives Medikament eingeführt. Der monoklonale Antikörper Vedolizumab blockiert auf der Oberfläche von Lymphozyten das sogenannte Adhäsionsmolekül alpha4beta7-Integrin. Die Abwehrzellen können dann nicht ins Gewebe eindringen, was eine Entzündung der Darmschleimhaut verhindert. Die Behandlung zeigte den gewünschten Erfolg: Nach drei Monaten hatte der chronische Durchfall des Patienten gänzlich aufgehört.
zum Thema
- Abstract der aktuellen Studie
- Pressemitteilung der Universität Basel
- Abstract der Studie in BMJ Case Reports
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Dass Vedolizumab eine Darmentzündung infolge eines CTLA-4-Proteins lindert, könnte auch für Patienten mit malignem Melanom interessant sein, die mit dem Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab behandelt werden. Das Krebsmedikament blockiert den CTLA-4-Rezeptor auf T-Zellen, was im Prinzip die gleichen Auswirkungen hat wie ein Gendefekt im CTLA-4-Gen. Damit steht fest, dass die Durchfälle, unter denen es unter der Therapie mit Ipilimumab kommen kann, eine autoimmune Ursache haben.
Dies bedeutet, dass Vedolizumab möglicherweise die Nebenwirkung von Ipilimumab lindern könnte. Auf diese Idee sind allerdings bereits andere Mediziner gekommen. Kürzlich berichteten Onkologen vom Royal Adelaide Hospital in BMJ Case Reports (2016; doi: 10.1136/bcr-2016-216641) über die Behandlung eines Patienten, der unter einer mit Ipilimumab induzierten Colitis litt. Die Darmbeschwerden besserten sich unter der Behandlung mit Vedolizumab soweit, dass die Ärzte auf eine Behandlung mit Steroiden verzichten konnten. © rme/aerzteblatt.de
