Medizin
Telemedizin: Bluthochdruck-Selbstmessung mit ärztlicher Kontrolle
Freitag, 2. Dezember 2016
Berlin - Das europäische Projekt EUSTAR soll klären, ob das Blutdruck-Telemonitoring die Behandlung verbessern und stationäre Behandlungen verhindern kann. Dafür sollen ab 2017 alle Daten der Patienten an ein Zentralregister weitergereicht werden. Langfristiges Ziel sei es, interventionelles Telemonitoring in der Allgemeinmedizin und Nephrologie anzuwenden, berichteten gestern Ärzte auf einem Symposium auf dem Kongress der Deutschen Hochdruckliga (DHL) in Berlin.
Neben der ambulanten 24-h-Blutdruckmessung, bei der das Gerät automatisch
regelmäßig Tag und Nacht den Blutdruck misst, hat sich die Heim-Selbstmessung als
gutes Instrument erwiesen. „Allerdings entsprechen nicht einmal die Hälfte der von den Patienten dokumentierten Werte der Realität. Zudem liegt bei vielen Visiten das
Blutdrucktagebuch gar nicht vor“, sagte Egbert Schulz, Mitglied der Kommission Telemedizin und E-Health der DHL und Vorstand des Blutdruckinstituts Göttingen. Patienten, die mit einer der zahlreichen Apps arbeiten, erhalten abgesehen von der Selbstauskunft keine Rückmeldung durch den behandelnden Arzt.
Diese Lücke würde durch das Blutdruck-Telemonitoring geschlossen. Erste Hinweise über den Erfolg sollen 50 Hypertonie-Exzellenzzentren der European Society of Hypertension (ESH) liefern. Sie versorgen mehr als 1.500 Patienten mit der Indikation arterielle Hypertonie mit einem von der DHL oder der ESH zertifizierten Blutdruckmessgerät. „Dazu kommen noch andere Spezialindikationen wie etwa Schwangerschaft, Dialyse und Kinder/Jugendliche, die ebenfalls in die Studie eingeschlossen sind“, ergänzte Schulz. Das Blutdruckmessgerät überträgt die Daten über ein integriertes Modem anonymisiert und – nur einer Gerätenummer zugeordnet – an einen zentralen Server. Dort werden die Blutdruckwerte dann mit den Grenzwerten verglichen. Diese liegen für die arterielle Hypertonie bei einem Fünf-Tages-Schnitt >135/85 mmHg und <100/60 mmHg, Einzelwert liegen bei >160/100 mmHg und <90/50 mmHg.
„Werden die Grenzwerte überschritten, wird eine Benachrichtigung an den behandelnden Arzt ausgelöst“, erläuterte Martin Middeke, Principal Investigator von EUSTAR und Sprecher der Kommission Telemedizin und E-Health der DHL. Dieser prüfe dann, ob er Kontakt zu seinem Patienten aufnehmen sollte. In der Regel erfolge dies durch einen Anruf aus der Arztpraxis. Eine Benachrichtigung ist laut Middeke auch vorgesehen, wenn der Patient über drei Tage keine Messergebnisse übertragen hat. „Dadurch sollen Systemfehler erkannt und der Patient zur Mitarbeit motiviert werden“, sagt der Experte.
„Der Arzt kann innerhalb des von ihm eingesetzten Praxisverwaltungssystems mit den Telemonitoringdaten arbeiten. Das macht die Methode so praktikabel und innovativ“, ist Schulz überzeugt. Die EUSTAR-Plattform ist zudem in der Lage, anonymisiert Patientendaten aus dem Praxissystem für spätere Analysen automatisch zu extrahieren, wenn der Arzt beziehungsweise das Zentrum und der Patient an der Studie teilnehmen wollen.
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Nachdem in einer Pilotstudie der Datenfilter, das heißt ein Benachrichtigungsalgorithmus, herausgearbeitet und die Machbarkeit der Methode im Praxisalltag in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt bestätigt werden konnte, gälte es nun, das Blutdruck-Telemonitoring in der Breite in möglichst vielen Indikationen anzuwenden, sagte Schulz.
Einen Aspekt dürfe man als Arzt aber nicht außer Acht lassen: „Telemedizin bedeutet grundsätzlich einen erhöhten Personalaufwand, weil mehr Messdaten erhoben werden, die zeitnah zu berücksichtigen sind“, sagte der Vorstandsvorsitzende der DHL, Martin Hausberg vom Städtischen Klinikum Karlsruhe. Schulz hingegen geht von einer Ressourcenentlastung aus: „Die vom BMBF geförderte Studie EDIMED hat gezeigt, das Praxisabläufe nicht verkompliziert, sondern im Gegenteil gestrafft werden.“ Personal könne so entlastet, Zeitaufwand und Wartezeiten verkürzt werden. © gie/aerzteblatt.de

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