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Politik

Wahlkampf: Streit um Bürgerversicherung, SPD legt Impulspapier vor

Donnerstag, 1. Dezember 2016

/dpa

Berlin – SPD und Union bringen sich allmählich für den Bundestagswahlkampf in Stell­ung. Die SPD will erneut mit der Einführung ei­ner Bürgerversicherung werben. Dafür setz­­te sich die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Matt­heis, ein. In einem 72-seitigen Papier der SPD mit dem Titel „Fort­schritt und Gerech­tigkeit – Chancen für alle Impulse der Programmkommission“, arbeitet die Partei weitere Leitlinien heraus. Das Papier ist ein erster Schritt auf dem Weg zum Wahl­programm, wie es heißt. Es solle Ausgangspunkt für Gespräche mit Fachverbänden und Gewerkschaf­ten sein.

„Der erste Schritt bei der Einrichtung einer Bürgerver­si­cherung ist natürlich die Rückkehr zu einer paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, erklärte Mat­theis in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung der AG Zukunft des Ge­sund­heits­wesens in Berlin. „Wir wollen die solidarische Finanzierung auch dadurch ausweiten, dass alle Einkom­mensarten verbeitragt werden.“

Zudem müsse über die Beitragsbemessungsgrenze nachgedacht werden, und auch Be­amte sollten die Möglichkeit erhalten, sich in den Tarif der gesetzlichen Krankenver­siche­rung einbringen zu können. Mattheis wies jedoch darauf hin, dass die Bürgerver­siche­rung „sicher nicht in einer Legislaturperiode kommen“ könne. Man wolle sich dem Thema vorsichtig und Schritt für Schritt nähern.

Einheitliche Honorierung für Niedergelassene
In dem Positionspapier „Fort­schritt und Gerech­tigkeit – Chancen für alle Impulse der Pro­grammkommission“ umreißt die SPD ihre Wahlkampfthemen für die kommende Bundes­tagswahl: Demnach sollen alle Bürger in der pari­tätischen Bürgerversicherung versichert werden. Privatversicherte können dann wählen, ob sie in die Bürger­versiche­rung wech­seln wollen, heißt es. Zugleich will die SPD „eine neue, einheitliche Honorar­ordnung für Ärztinnen und Ärzte einführen“, heißt es in dem Papier. Damit richte sich die Vergütung medizinischer Leistungen für alle Patienten nach ihrem Behandlungsbedarf und nicht nach ihrem Versicherungsstatus, heißt es weiter.

Die Sozialdemokraten setzen zudem auf eine integrierte Bedarfsplanung der gesamten medizinischen Versorgung in der politischen Verantwortung der Länder. Die Stellung der Hausärzte will die Partei verbessern. Man werde die Allgemeinmedizin in Studium, Weiter­bildung, berufspolitischen Gremien und bei der Honorierung stärken, schreibt die SPD, die in der Telemedizin großes Potenzial ausmacht.

Der Partei zufolge werde die digitale Revolution es der Gesellschaft ermöglichen, kooperative Strukturen der inte­grierten Ver­sorgung schneller aufzubauen. „Wir wollen dazu die Telemedizin konsequent voran­brin­gen und die Vernetzung der Versorgungs­bereiche stetig vertiefen.“ Tele­medizin schaffe nach Ansicht der Genossen die Plattform für ein besseres Zusammen­wirken von ambu­lant und stationär. Auch sei sie ideal, um die Versorgung auch mit spezialisierten Leistun­gen in dünner besiedelten Regionen zu unterstützen.

Die Krankenhäuser spart die SPD in dem Papier nicht aus. Es geht um gute Arbeits­be­dingungen, Personalstandards und besser bezahltes Pflegepersonal. Bei der Finanzie­rung der Kliniken weist das Papier auf eine „große Lücke“ hin, die bei den Investitionen klaffe. Die SPD verspricht, den „Investitionsstau“ aufzulösen. „Dazu werden wir ein zeit­lich befristetes steuerfinanziertes Investitionsprogramm des Bundes auflegen“, heißt es.

Kosten-Nutzen-Bewertung für „alte“ Medikamente
In Bezug auf die Kosten für Arzneimittel sieht das Papier künftig nicht nur neue Medi­ka­mente auf dem Prüfstand. „Um angemessene Preise für ältere Medikamente zu ge­­währ­leisten, wollen wir auch diese einer Kosten-Nutzen-Bewertung unterziehen, das Preis­mo­ra­torium fortschreiben und den Herstellerabschlag anpassen“, so die SPD, die sich in dem Papier auch für einen Patientenentschädigungsfonds als Stiftung des Bundes stark macht. Dieser Fonds ist derzeit auch Thema im Bundesrat. Er soll eintreten, um geschä­digte Patienten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu unterstützen und wenn haf­tungs­­rechtliche Systeme nicht greifen.

In der Pflege setzt die SPD ebenfalls auf eine paritätische Bürgerversicherung. Dabei denkt die Partei über die Möglichkeit einer freiwilligen Vollversicherung nach. Man wolle diese Variante prüfen, um die Menschen besser vor den Pflegerisiken zu schützen, heißt es. Darüber hinaus sollen Ältere Menschen in ihren Quartieren besser versorgt werden. „Pflegebedürftigkeit soll kein Grund für einen Umzug sein“, schreibt die SPD.

Um das zu erreichen, sei neben den Leistungen der Pflegeversicherung ein Mix an Unterstützungs­leistungen notwendig, die durch Familien, Kommunen, im Ehrenamt oder als professio­nelle Dienstleistungen erbracht werden könnten. „Dazu wollen wir einen Demografie-Zukunftsfonds schaffen, in den unter anderem die wenig nachgefragte staatliche För­de­rung der privaten Pflegezusatzversicherung fließt“.

CDU gegen die Bürgerversicherung
Erwin Rüddel (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags, sprach sich auf der Veranstaltung der AG Zukunft des Ge­sund­heits­wesens gegen die Einfüh­rung einer Bürgerversicherung aus. „Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das möchte ich nicht aufs Spiel setzen“, erklärte er. „Wir haben bis heute kein durchgerechnetes System einer Bürgerversicherung vorgelegt be­kommen. Darauf wer­den wir sicherlich auch noch eine ganze Zeit warten müssen.“ „Die Frage ist auch: Wa­rum sollten Ärzte ihre Patienten besser behandeln, nur weil sich die Einnahmenseite ver­ändert?“, fuhr Rüddel fort.

„Und warum sollten sich Krankenkassen besser um ihre Versicherten kümmern, wenn es eine staatliche Einheitskasse gäbe, von der keiner mehr abwandern könnte?“ Die Bür­ger­versicherung sei ein Experiment mit zahl­losen Unbekannten, die das Parlament und auch die Gerichte beschäftigen würden. „Statt unsere Energie auf ein so riskantes Pro­jekt zu konzentrieren, sollten wir uns besser darauf konzentrieren, wie wir das besteh­en­de System optimieren können und wie wir es schaffen, dass die einzelnen Sektoren bes­ser kooperieren.“

Bei der paritätischen Finanzierung kam er Mattheis allerdings entgegen: „Die Beitrags­parität ist nicht in Beton gegossen. Nach der Wahl werden wir uns im Lichte der dann gegebenen Beitragssituation damit beschäftigen.“ Es gebe auch für Zusatzbeiträge Gren­zen, die nicht überschritten werden könnten. © fos/may/aerzteblatt.de

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