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Politik

Bundesteilhabe­gesetz: Umstrittene Reform verabschiedet

Donnerstag, 1. Dezember 2016

/dpa

Berlin – Menschen mit Behinderungen sollen künftig bessere Möglichkeiten haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen: Der Bundestag verabschiedete heute das Bun­desteilhabegesetz. Künftig sollen Behinderte, die staatliche Leistungen beziehen, mehr von ihrem Einkommen und Vermögen zurücklegen können. Sozialverbände würdigten die nach Protesten vorgenommenen Änderungen am Gesetzentwurf, drängten aber auf weitere Nachbesserungen.

Bei der Eingliederungshilfe werden Einkommen und Vermögen von Ehe- oder Lebens­partnern künftig nicht mehr herangezogen. Das Arbeitsförderungsgeld für die rund 300.000 Beschäftigten in Werkstätten wird von derzeit 26 Euro auf 52 Euro verdoppelt. Aus dem Budget für Arbeit erhalten Arbeitgeber künftig einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent, wenn sie einen Schwerbehinderten beschäftigen. Dadurch soll es leichter werden, eine Beschäftigung außerhalb der Behindertenwerkstätten zu finden.

Bereits 2017 werden die Freibeträge für Erwerbseinkommen um bis zu 260 Euro monatlich und für Barvermögen von 2600 auf 27.600 Euro deutlich erhöht. In einem weiteren Schritt wird ab 2020 das bisherige System durch ein neues, an das Einkom­mensteuerrecht anknüpfendes Verfahren ersetzt. Die Barvermögensfreigrenze beträgt dann rund 50.000 Euro. Der Vermögensfreibetrag für Menschen, die nicht erwerbsfähig sind und Leistungen der Grundsicherung beziehen, steigt von derzeit 2.600 auf 5.000 Euro.

Nach heftiger Kritik verzichtete die große Koalition zum Abschluss der Gesetzesbera­tun­gen darauf, die Eingliederungshilfe künftig nur noch jenen zu gewähren, die in fünf von neun Lebensbereichen eingeschränkt sind. Die große Koalition verzichtete zudem auf eine Neuregelung bei jenen Leistungen, die an der Schnittstellen zwischen der Einglie­de­rungshilfe und der Pflege liegen. Es bleibt beim bestehenden Gleichrang der Leistungs­sys­teme im häuslichen Umfeld. Damit reagierte die große Koalition auf die umfangrei­chen Proteste von Behindertenverbänden.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verwies bei der abschließenden Beratung des Gesetzes zudem auf die geplanten Budgets für Arbeit: Damit sollten Arbeitgeber dafür gewonnen werden, sich für Menschen mit Behinderung zu entscheiden. „Weniger behindern – mehr möglich machen“, sagte die Ministerin. „Das ist der Kern des neuen Bundesteilhabegesetzes.“ Die Eingliederungshilfe werde aus der Sozialhilfe heraus­genommen und als Leistungsrecht in das Sozialgesetzbuch 9 überführt. In diesem werden bereits derzeit Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geregelt.

Die Behindertebeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, forderte Nach­besserungen am Gesetzesbeschluss: „Es bleiben noch Baustellen, aber das Gesetz bietet eine Basis für die weitere Arbeit", erklärte sie. „Diese Arbeit geht 2017 los.“ Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) zeigte sich erleichtert, dass der Kreis der leistungsberechtigten Menschen nicht kleiner wird. „Es muss sichergestellt sein, dass bisherige Leistungs­beziehende nicht aus dem System fallen“, hieß es in einer Erklärung mit Blick auf die geplante Festlegung der Kriterien für den Bezug von Eingliederungshilfe.

Unzufrieden zeigte sich der Sozialverband Deutschland (SoVD). „Trotz positiver Ansätze bleibt das Bundesteilhabegesetz klar hinter den ursprünglichen Zielsetzungen zurück“, erklärte die Organisation. Es dürften immer noch Leistungen gegen den Willen der Betroffenen gepoolt, das heißt gemeinschaftlich in Gruppen erbracht werden, kritisierte der Verband. © afp/aerzteblatt.de

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