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Weltweit erste S3-Leitlinie Methampheta­min-bezogene Störungen vorgelegt

Freitag, 2. Dezember 2016

/dpa

Berlin – Methamphetamin ist die problematischste Substanz unter den Amphetaminen, denn die Wirkung scheint neurotoxisch, das Suchtpotenzial ist extrem hoch, ebenso die Notwendigkeit, die Dosis zu steigern, um den gewünschten Effekt zu ereichen. Gleich­zei­tig sind die Konsumenten der illegal hergestellten, kristallinen Substanz („Crystal“) und ihre Konsummuster sehr heterogen. Das Krankheitsbild ist komplex: Meist nehmen die Konsumenten das Gesundheitssystem entweder wegen unspezifischer Beschwer­den in Anspruch oder sie werden mit Vergiftungserscheinungen in starker Erregung oder psy­cho­tischen Zuständen in die Notaufnahmen eingeliefert.

Um allen Berufsgruppen im Gesundheitswesen mehr Handlungssicherheit im Umgang mit akut intoxikierten oder abhängigen Patienten zu geben, hat das Bundesministerium für Gesundheit die Bundesärztekammer (BÄK) dabei unterstützt, eine Behandlungs­leitlinie zu erarbeiten. Die weltweit erste S3-Leitlinie „Methamphetamin-bezogene Störungen“ wurde heute in Berlin vorgestellt.

Sie wurde vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) zusammen mit einem interdisziplinär besetzten Experten­panel erarbeitet. „Die S3-Leitlinie richtet sich an alle Be­rufe in der ambulanten und stationären Suchthilfe, ärztliche und Psycholo­gische Psy­chotherapeuten, Mitarbeiter im Bereich Nachsorge und Rehabilitation sowie an Selbsthil­fe­organisatio­nen“, erklärte Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, ärztliche Direktorin an der LVR-Klinik Köln und  Beauftragte der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psycho­the­rapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der federführenden Fachge­sell­schaft bei der Leitlinien­erstellung.

Nicht mehr nur auf die grenznahen Regionen zu Tschechien begrenzt
Jährlich werden nach Angaben der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler rund 3.000 Menschen wegen ihres Crystal-Meth-Konsums auffällig. Längst begrenze sich der Konsum der Droge nicht mehr nur auf die grenznahen Regionen zu Tschechien, sondern auch auf andere Regionen Deutschlands.

„Der Konsum von Crystal Meth ist in den letz­ten Jahren zu einer echten Heraus­forderung geworden. Umso wichtiger ist neben un­se­rer intensiven Präventionsarbeit eine gute medizinische Versorgung der Betroffenen“, be­tonte Mortler. 500.000 Euro werden nach Angaben der Drogenbeauf­tragten pro Jahr von staatlicher Seite für Präventionsprojekte aufgewendet, beispiels­weise für das vir­tu­elle Selbsthilfeangebot www.breaking-meth.de oder für Broschüren der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

„Bisher gab es wenig fachliche Unterstützung für die Behandlung von Methamphetamin-bezogenen Störungen, auch die Leitlinien aus dem Ausland sind nicht auf dem neuesten Stand“, sagte Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes und Vorsitzen­der der Arbeitsgruppe Sucht und Drogen der BÄK. Für die Erstellung der neuen Hand­lungs­empfehlungen sei nun die gesamte international verfügbare wissenschaftliche Lite­ratur zu dem Thema gesichtet und ausgewertet worden und aus den Ergebnissen 135 Empfehlungen insbesondere für die Akut- und Postakutbehandlung sowie die Behand­lung von Begleiterkrankungen und speziellen Patientengruppen erstellt worden.

Augenmerk auch auf psychische Erkrankungen legen
„Ein besonderes Augenmerk sollte auf psychische Erkrankungen gelegt werden, die den Methamphetamin-Konsum häufig begleiten“, betonte Mischo. Dazu gehören Psychosen, Depressionen, Bipolare Störungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Aufmerk­sam­keitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom oder Angststörungen. Diese Störungen sollten der Leitlinie zufolge in enger Abstimmung mit der Behandlung der Methamphetamin-Ab­hängigkeit behandelt werden.

Mischo wies weiter darauf hin, dass Methamphetamin-Konsum zu ungehemmtem Sexual­verhalten führen kann, was zu einem erhöhten Risiko für ungewollte Schwanger­schaften führe. „Schwangere sollten engmaschig betreut werden und zur Abstinenz angehalten wer­den, denn anhaltender Konsum kann zu schweren Schäden beim Ungeborenen füh­ren“, erklärte der Arzt. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch den betroffenen Familien gelten, weil Crystal-Meth-Konsum auch mit erhöhter Gewalt­bereitschaft einhergehen könne.

„Nun gilt es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der S3-Leitlinie in die Versor­gungs­praxis zu bringen – zum Nutzen der Patienten, ihrer Angehörigen sowie auch der damit befassten medizinischen Berufsgruppen“, betonte Psychiaterin Gouzoulis-Mayfrank.

Die Leitlinie kann im Internet in einer Kurz- sowie in einer Langfassung unter www.crystal-meth.aezq.de abgerufen werden. © PB/aerzteblatt.de

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