Medizin
Brustkrebs: Studie bestätigt Bioäquivalenz von Biosimilar für Trastuzumab
Freitag, 2. Dezember 2016
San Francisco – Das erste Biosimilar des Krebsmedikaments Trastuzumab steht in den USA und in Europa vor der Zulassung. Der Hersteller hat kürzlich die Anträge eingereicht. Grundlage sind die Ergebnisse einer Phase 3-Studie, die jetzt im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; doi: 10.1001/jama.2016.18305) publiziert wurden, nachdem erste Ergebnisse bereits auf den Jahreskongressen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt worden waren.
Biosimilare sind Nachahmerprodukte von Biologika. Anders als die Generika der konventionellen Arzneimittel sind sie nicht notwendigerweise identisch mit dem Originalpräparat. Die Aminosäuresequenz der Wirkstoffe ist zwar gleich. In der dreidimensionalen Faltung der Peptide und der Besetzung mit Zuckermolekülen sind jedoch Unterschiede möglich. Da Biologika in Zellkulturen, also lebenden Organismen, produziert werden, gibt es nur eine bedingte Kontrolle über das Endprodukt.
Die Zulassungsbehörden fordern deshalb von den Herstellern, dass sie die Bioäquivalenz nachweisen. Dies ist den Herstellern bisher in der Regel gelungen. In Europa sind seit 2006, in den USA seit 2015, mehrere Biosimilare zugelassen worden. Die ersten Biosimilare wie Somatropin oder Figrastrim hatten seltene Indikationen. Der potenzielle Markt für die Biosimilare von Infliximab und Insulin glargin ist bereits größer.
Das erste Biosimilar für den Antikörper Trastuzumab bietet erstmals eine Alternative für ein breit eingesetztes Medikament. Trastuzumab wurde in den USA 1998 und in Europa 2000 zur Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs mit einer Überexpression von HER2-Rezeptoren neu zugelassen. Seit 2006 kann es auch begleitend zur häufigeren Chemotherapie eingesetzt werden. Im Januar 2010 folgte die Zulassung beim in Europa relativ seltenen metastasierten HER2-positiven Magenkrebs.
Das Originalpräparat Herceptin gehört zu den profitabelsten Krebsmedikamenten. Der Hersteller, der Schweizer Konzern Roche, kommt auf einen jährlichen Umsatz von 6,6 Milliarden US-Dollar. Von diesem Kuchen möchte sich der amerikanisch-niederländische Generikahersteller Mylan ein Stück abschneiden, der sein Biosimilar in Indien von der Firma Biocon produzieren lässt.
In Indien und zehn weiteren Entwicklungs- oder Schwellenländern ist das Biosimilar bereits zugelassen. In den USA und Europa warteten die Zulassungsbehörden auf die abschließenden Ergebnisse der HERiTAge-Studie. An 95 Zentren in Osteuropa, Asien und Lateinamerika erhielten 500 Patientinnen mit lokal rezidiviertem oder metastasiertem HER2-positiven Mammakarzinom, für die keine Operation und/oder Strahlentherapie mehr infrage kam, eine Taxan-basierte Chemotherapie. Sie wurde bei der Hälfte der Patientinnen mit Trastuzumab kombiniert. Die andere Hälfte der Patientinnen wurde mit dem Biosimilar MYL-14010 behandelt wurden. Primärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate nach 24 Wochen.
Wie Hope Rugo vom Helen Diller Family Comprehensive Cancer Center in San Francisco und Mitarbeiter berichten, waren die Ergebnisse in beiden Gruppen nahezu identisch. Das Biosimilar erreichte eine Gesamtansprechrate von 69,6 Prozent gegenüber 64,0 Prozent mit dem Originalpräparat. Dies ergibt eine Ratio von 1,09, die mit einem 90-Prozent-Konfidenzintervall von 0,974 bis 1,211 wie erhofft nicht signifikant war. Auch die Differenz der Ansprechraten von 5,53 Prozentpunkten lag mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von minus 3,08 bis plus 14,04 Prozentpunkten innerhalb der vorgegebenen Äquivalenzgrenzen, die eine Abweichung um 15 Prozentpunkte in beide Richtungen erlaubt hätte.
Auch der Anteil der Patientinnen, bei denen es innerhalb der ersten 48 Wochen zu einer Tumorprogression kam, war mit 41,3 Prozent unter dem Biosimilar und 43,0 Prozent unter dem Originalpräparat nahezu gleich, ebenso das progressionsfreie Überleben (44,3 versus 44,7 Prozent) und das Gesamtüberleben (89,1 versus 85,1 Prozent).
Die Verträglichkeit war ebenfalls in beiden Gruppen ähnlich. Zu schweren unerwünschten Wirkungen wie febriler Neutropenie, Leukopenie oder Pneumonie kam es unter der Behandlung mit MYL-14010 bei 38,1 Prozent der Patienten im Vergleich zu 36,2 Prozent unter Trastuzumab.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse dürfte einer Zulassung von MYL-14010 nichts im Wege stehen. Da beide Mittel gleichwertig sind, dürfte der Preis über die Verwendung entscheiden. Beobachter hoffen, dass das Produkt um wenigstens ein Viertel günstiger sein wird als das Originalpräparat. Sicher ist dies jedoch nicht.
Mylan hatte in diesem Sommer in den USA wegen der Preiserhöhung für ein anderes Mittel eine schlechte Presse. Die Kosten für den EpiPen, einem Auto-Injektor mit dem Wirkstoff Adrenalin, haben sich seit 2007 verfünffacht auf jetzt 608 US-Dollar. Dass viele Eltern sich das Mittel für die Notfalltherapie ihrer allergischen Kinder nicht mehr leisten können, hat zu einer Anhörung in einem Senatsausschuss geführt. Dass der Hersteller sich weigerte, den Termin zu besuchen, hat seinem Ansehen nicht gerade genutzt. © rme/aerzteblatt.de

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