Ärzteschaft
Mezis-Fachtagung: Hohe Arzneimittelpreise gefährden die Versorgung
Freitag, 2. Dezember 2016
Berlin – Der Zugang zu lebensnotwendigen Arzneimitteln war bislang ein Problem der sogenannten Dritten Welt. Doch die Hochpreispolitik der Pharmaindustrie könnte künftig auch hierzulande zur Rationierung zwingen. Davor haben Ärzte und Gesundheitswissenschaftler heute in Berlin gewarnt. Unter dem Titel „Leben – eine Kostenfrage“ hatte die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, Mezis, Ärzte und Gesundheitswissenschaftler zu einer Fachtagung geladen, die sich mit den Auswirkungen von Arzneimittelpreisen auf den Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten beschäftigte.
Mit einem „Manifest für bezahlbare Medikamente und eine bedarfsgerechte Arzneimittelforschung“ forderten die Tagungsteilnehmer die Politik zum Handeln auf. Die enorme Steigerung der Ausgaben für Medikamente sei eine reale Gefahr für das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem in Deutschland, heißt es dort. Um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sicherzustellen, müsse es mehr Wettbewerb im stark von Patenten und Monopolen geprägten Arzneimittelmarkt geben. Dazu gehörten unter anderem ein früher Marktzugang für Generika, strengere Kriterien für die Erteilung von Arzneimittelpatenten, eine stärkere Orientierung der Preise und der Erstattungsfähigkeit am Nutzen eines Medikaments sowie die bedarfsweise Anwendung von Zwangslizenzen im Interesse öffentlicher Gesundheit.
Das geltende Patentrecht setze falsche Forschungsanreize, erklärte Mezis-Geschäftsführerin Christiane Fischer. Die Forschung orientiere sich nicht am medizinischen Bedarf, sondern ziele auf Indikationen und Märkte, von denen die Industrie den größten Profit erwarte. Um gegenzusteuern, fordern die Autoren des Manifests mehr öffentliche Mittel für die Arzneimittelforschung, eine bedarfsgerechte Prioritätensetzung sowie Alternativen zu Patenten wie Produktentwicklungspartnerschaften oder Preisfonds.
Außerdem treten die Autoren für mehr Preistransparenz ein. Die zwischen Krankenkassen und Herstellern verhandelten Arzneimittelpreise müssten öffentlich zugänglich sein, heißt es dort. Heftig kritisiert wurde in diesem Zusammenhang ein Passus im geplanten Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG), das am 14. Dezember im Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten wird. Er besagt, dass die Ergebnisse dieser Preisverhandlungen künftig geheim bleiben sollen.
Doch das AMVSG soll auch kostendämpfend wirken und das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 korrigieren, das erstmals den Preis eines Arzneimittels an dessen Zusatznutzen knüpfte. Die Grundidee des AMNOG, die Spreu vom Weizen zu trennen, sei gut, erklärte Thomas Lempert, Mitglied des Fachausschusses für Transparenz und Unabhängigkeit in der Medizin der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Der Schwachpunkt sei aber, dass die Pharmaunternehmen im ersten Jahr nach der Zulassung die Preise für ihre Medikamente nach Gutdünken festsetzen dürften. „Da muss nachgebessert werden“, forderte Lempert.
Das AMVSG sieht eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro vor, bei deren Erreichen der spätere Erstattungsbetrag rückwirkend gilt. Während Linken-Politikerin Kathrin Vogler bei der Berliner Tagung eine solche Schwelle ablehnte und für die rückwirkende Geltung ab dem Tag der Zulassung plädierte, verteidigte CDU-Politiker Rudolf Henke die Regierungspläne. Allerdings räumte er ein, dass man über die Höhe der Schwelle diskutieren könne. „Der Deutsche Ärztetag hat gesagt, der Betrag von 250 Millionen Euro ist bei Weitem zu hoch. Das ist aus ärztlicher Sicht zu unterstützen“, sagte der Internist. © HK/aerzteblatt.de

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