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Medizin

Darmflora könnte Morbus Parkinson beeinflussen

Montag, 5. Dezember 2016

Pasadena – Gen-modifizierte Mäuse, die aufgrund einer Überproduktion von Alpha-Synuclein an einem Morbus Parkinson erkranken, blieben gesund, wenn sie keimfrei aufgezogen werden und ihr Darm nicht von Bakterien besiedelt wird. Sie erkrankten dann, nachdem sie oral mit Darmbakterien von Parkinson-Patienten behandelt wurden. Die Forschungsberichte in Cell (2016; 167: 1469-1480) belegen einen Einfluss der Darmflora auf die häufige degenerative Hirnerkrankung.

Der Darm ist nach dem Gehirn die zweitgrößte Ansammlung von Nervenzellen im menschlichen Körper. Seit einiger Zeit wird vermutet, dass beide Organe miteinander verknüpft sind. Dabei könnte nicht nur das Gehirn über den Nervus vagus die Darmtätigkeit beeinflussen. Die „Hirn-Darm-Achse“ könnte auch in die andere Richtung funktionieren. So produziert der Darm Dopamin, Serotonin und andere Substanzen, die im Gehirn als Neurotransmitter fungieren. Auffällig ist auch, dass viele Erkrankungen des Gehirns mit Darmbeschwerden einher gehen. Menschen mit Morbus Parkinson leiden häufig unter Obstipation, die der Hirnkrankheit um Jahre vorausgeht. 

Hinzu kommt, dass das Protein Alpha-Synuclein, dessen Ablagerung im Gehirn nach heutiger Kenntnis die Ursache der Erkrankung ist, auch im Darm und im Nervus vagus nachgewiesen wurde. Einige Neuroanatomen vermuten sogar, dass der Morbus Parkinson eine Prionen-Erkrankung ist, bei der mit der Nahrung aufgenommene Proteine über Nerven ins Gehirn transportiert werden, und dort eine fatale Kettenreaktion auslösen. 

Timothy Sampson und Sarkis Mazmanian vom California Institute of Technology in Pasadena gingen in ihren Experimenten einer anderen Vermutung nach. Die Darmbakterien, deren Anzahl die Zellen des menschlichen Körpers um den Faktor 10 übertrifft, könnten Substanzen bilden, die vom Darm resorbiert über die Blutbahn ins Gehirn gelangen. Im Verdacht stehen kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Propionat oder Butyrat, die relativ rasch resorbiert werden.

Die Forscher führten ihre Experimente mit Mäusen durch, deren Produktion von Alpha-Synuclein erhöht ist. Diese Tiere erkranken frühzeitig an motorischen Störungen, wie sie für den Morbus Parkinson kennzeichnend sind. Außerdem kommt es zu Störungen der Darmfunktion. Beides wurde in den Experimenten verhindert oder zumindest abgeschwächt, wenn die Tiere in einer keimfreien Umgebung aufwuchsen, die eine Besiedlung des Darms mit Bakterien verhinderte. Antibiotikabehandlungen hatten eine ähnliche Wirkung. Beides verminderte auch die Ablagerung von Alpha-Synuclein im Gehirn.

In weiteren Experimenten haben die Forscher die möglichen Pathomechanismen untersucht. Zunächst fiel ihnen auf, dass es im Rahmen der Erkrankung zu einer Aktivierung der Mikroglia, dem Immunsystem des Gehirns, kommt. Dies könnte Ursache oder Folge der Erkrankung sein. Für eine Ursache spricht, dass die Immunreaktion der Mikroglia durch eine Behandlung der Tiere mit kurzkettigen Fettsäuren ausgelöst werden konnte.

Die Forscher haben dann Stuhlproben von Parkinson-Patienten an Tiere verfüttert, die zuvor keimfrei aufgewachsen waren. Die Tiere entwickelten die typischen motorischen Zeichen eines Morbus Parkinson.

Die tierexperimentellen Studien zeigen, dass die Darmbakterien über die Produktion von kurzzeitigen Fettsäuren die Entwicklung eines Morbus Parkinson fördern könnten. Ob dieser Pathomechanismus auch beim Menschen greift, könnte durch klinische Studien untersucht werden.

Ein möglicher Ansatz wären Stuhltransplantationen oder die Behandlung mit Probiotika. Die Normalisierung der Darmflora sollte dann die Symptome der Patienten lindern. Denkbar sind auch Wirkstoffe, die kurzkettigen  Fettsäuren im Darm oder im Blut binden und am Übertritt in das Gehirn hindern würden. © rme/aerzteblatt.de

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