NewsVermischtesManipulations­verdacht bei Zytostatika: Debatte um Konsequenzen
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Vermischtes

Manipulations­verdacht bei Zytostatika: Debatte um Konsequenzen

Dienstag, 6. Dezember 2016

Berlin – Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat schärfere Kontrollen der Apotheken in Deutschland gefordert. Nach den Manipulationsvorwürfen gegen einen Apotheker in Nordrhein-Westfalen dürfe es ein „weiter so“ nicht geben. „Schärfere Kontrollen schaffen Vertrauen bei den Patienten“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Der Bundestag müsse das Arzneimittelgesetz verschärfen. In die Debatte eingeschaltet haben sich zwi­schenzeitlich auch die NRW-Gesundheitsministerin und die Kassenärztliche Vereini­gung Westfalen-Lippe (KVWL).

Brysch zufolge könne es nicht sein, dass Onkologie-Spezialapotheken im Schnitt nur alle zwei bis vier Jahre nach Ankündigung von Amtsapothekern überprüft werden. Immerhin versorgten diese bundesweit rund 200 Spezialapotheken hunderttausende schwerst kranke Krebspatienten. „Diese Menschen verbinden mit der individuellen Krebstherapie große Hoffnungen, wenn die erste Chemotherapie erfolglos war“, erläuterte Brysch.

Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, soll ein Bottroper Apotheker in mindes­tens 40.000 Fällen bei der Dosierung der Wirkstoffe für die Krebsimmuntherapie gespart und Krankenkassen so um 2,5 Millionen Euro betrogen haben. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt gegen den 46-Jährigen. Bisher geht es um Verstöße gegen das Arz­nei­mittelgesetz. Möglicherweise handelt es sich auch um Körperverlet­zung. Dazu müsste nachgewiesen werden, dass ein Patient Schaden genommen hat.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) riet verunsicherten Patienten, sich an ihre behandelnden Ärzte zu wenden. Die KVWL zeigt sich skeptisch. „Wir als Ärz­te wissen nicht, was die Patienten bekommen haben, egal in wel­cher Apotheke sie gewe­sen sind“, sagte Wolfang-Axel Dryden. Deswegen sei die Rück­ver­folgung sehr schwierig. „Und deswegen befürchte ich, dass die Aufklärung von Einzel­schicksalen bei Patienten – so schlimm das ist – extrem schwierig, wenn überhaupt durch­führbar ist“, dämpfte der 1. Vorsitzende der KVWL mögliche Erwartungen von Pa­tienten und An­ge­hörigen. Eine sol­che Empfehlung auszusprechen, sei eine Verlagerung des Problems auf die Ärzte. „Die Ermittlungsbehörden werden jetzt die Vorwürfe prüfen müssen“, fuhr der KV-Vorsitzende fort.

Dazu würden die Behörden auch die Dokumentation einsehen, die für die Apotheke bei der Herstellung von Medikamenten vorgeschrieben ist. „Es ist aber schwierig, die Doku­mentation auf ein bestimmtes Produkt und einen bestimmten Patienten zu personali­sie­ren, um daraus eine Konsequenz zu ziehen.“ Nach Ansicht von Dryden muss außerdem die Frage beantwortet werden, ob „die Konzentrationsprozesse auf dem Markt der Arz­nei­mittelversorgung absolut zweckdienlich sind“. Das betreffe die Apotheken, die Krebs­medikamente herstellen, genauso wie andere Bereiche, in denen zum Beispiel Kranken­kassen Rabattverträge mit einem oder zwei Herstellern abschließen.

Patientenschützer Brysch forderte eine engmaschige Überprüfung der individualisierten Medikamente, bevor sie die Apotheke verlassen. „Die Stichprobenkontrollen müssen vier­­mal jährlich, unangekündigt bei den Spezialapotheken stattfinden. Das erhöht den Überwachungsdruck.“ Bisher würden Apotheken schlechter kontrolliert als Großküchen oder die Verpflegung in Kindertagesstätten.

Doch mit dem derzeitigen Personal und der Ausrüstung werde eine wirksame Überprü­fung aller Apotheken nicht zu schaffen sein, gab Brysch zu bedenken. Im Moment sei ein Amtsapotheker für die pharmazeutische Sicherheit von 600.000 Menschen zuständig. Er kontrolliere rund 150 Apotheken, zusätzlich die Arzneimittelversorgung in Pflegeheimen, im Rettungsdienst sowie die Vergabe von Opiaten in seinem Bezirk. © dpa/ts/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Sonntag, 11. Dezember 2016, 11:08

hallo@Practicus, ein wichtiger Hinweis,

zur Wiederholung, der auch Relevanz für die tägliche Praxis einer Intensivstation hat, weil man doch tatsächlich angepasste Ergänzungen bei Infusionen unbedingt zu "Medikamentenherstellung" machen will
und damit zum industriellen Hersteller oder auch wie hier zum Apotheker auslagern möchte,
völliger Blödsinn, medizinisch unvertretbar!!!
Man kan z.B. Kalium bei einer gefährlichen Hypokaliämie nicht i.v. spritzen, dass MUSS in eine Infusion und zeitbergrenzt langsam infundiert werden.
Avatar #79783
Practicus
am Samstag, 10. Dezember 2016, 23:46

Das ist doch Blödsinn

Jedes Rezept ist in der Praxis-EDV gespeichert und kann somit jederzeit eingesehen werden - und ein roter Zettel beweist keinesfalls, dass eine Rezeptur wie verschrieben angefertigt wurde.

Bisher steht keineswegs fest, dass tatsächlich fehldosierte Infusionen die Apotheke verlassen haben. Wahrscheinlich hat der Apotheker doch nur die bei jeder Rezeptur anfallenden Restmengen auf andere Infusionen verteilt, anstatt sie zum Wohl der Industrie zu vernichten.

Der Skandal sollte zunächst mal Anlass sein, das Phänomen des zwangsweisen Verwerfens selbst extrem teurer Substanzen zu hinterfragen.

Krebsmittel sind ungeheuer teuer, und die Packungsgrößen der Industrie sorgen dafür, dass bei jeder Rezeptur unter Umständen sehr große Restmengen entstehen. Ich schätze, dass die Abrechnungsdifferenz von 2.5 Mio in wenigen Jahren dem entspricht, was in einer redlich geführten Apotheke ungenutzt weggeschmissen werden muss
Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Donnerstag, 8. Dezember 2016, 21:17

Eine Lösung...

ist viel einfacher, als gedacht! Geben Sie doch bitte, verehrte Apothekerinnen und Apotheker, unseren gemeinsamen GKV-Patienten/-innen endlich ihre roten GKV-Kassenrezepte zurück oder machen Sie sie wenigstens mit Rp.-Kopien zu mündigen, Rat-suchenden und -findenden Klienten.

Nur so verbessern wir die Chancen, dass Verordnungen, Dosierungen, Anwendungsempfehlungen und -Vorschriften mit hohen Sicherheitsstandards prozess- und qualitätsgesichert unsere Patienten auch erreichen.

Durch das "Verschwindenlassen" der GKV-Rezept-Formulare nach Muster 16 auf Grund der bestehenden Vorschriften des 5. Sozialgesetzbuch (SGB V) und seinen Ausführungsvorschriften leisten wir oben beschriebenen Betrugsmöglichkeiten Vorschub. Der Gesetzgeber muss endlich aktiv werden.

Denn ohne Rezeptformulare haben Patientinnen und Patienten keine Möglichkeit, das Handeln der Akteure in der Gesetzlichen Krankenversicherung nachzuvollziehen oder gar zu kontrollieren.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
LNS
LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER