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Medizin

Viele Erbkrankheiten treten nicht isoliert auf

Freitag, 9. Dezember 2016

Houston – Jeder zwanzigste Patient, bei dem eine genetische Erkrankung vermutet wird, hat mehr als einen Gendefekt. Dies zeigen die bisherigen Erfahrungen eines US-Zentrums im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1516767). Nicht selten überlappten sich die Symptome der einzelnen Syndrome, was die Diagnose erschwert.

Die Datenbank OMIM („Online Mendelian Inheritance in Man“) verzeichnet mittlerweile fast 7.000 verschiedene genetische Erkrankungen, die sich in etwa der Hälfte der Fälle auf Genmutationen oder Varianten der Genkopienzahl zurückführen lassen. Bei den meisten Einträgen handelt es sich um seltene Erkrankungen und die diagnostische Unsicherheit ist groß. Immer häufiger wird bei diesen Patienten eine Exom-Sequen­zierung veranlasst. Das Exom ist die Gesamtheit aller Gene, die die Information für Proteine enthalten.

Am Baylor College of Medicine in Houston wurden in den letzten fünfeinhalb Jahren 7.374 Exom-Sequenzierungen durchgeführt. Bei 2.076 Patienten (28,2 Prozent) wurden die Genetiker fündig. Sie konnten einen Genfehler nachweisen, der den Phänotyp des Patienten schlüssig erklärt. Es gab jedoch 101 Patienten (4,9 Prozent), die Verän­derungen in zwei oder noch mehr Genen hatten. Dies widerspricht der ärztlichen Intuition, die hinter den vielfältigen Zeichen und Symptomen ihrer Patienten in der Regel eine zugrundeliegende Störung vermutet, schreibt Jennifer Pose vom Baylor College of Medicine in Houston, die die Daten ihres Zentrums ausgewertet hat. 

Dies könnte nach den Ergebnissen der aktuellen Fallserie ein Irrtum sein. Die Komplexität wird noch durch den Umstand gesteigert, dass die Phänotypen der einzelnen Gendefekte sich überlappen können. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Patient gleichzeitig eine Xeroderma pigmentosum und ein Rothmund-Thomson-Syndrom hat.

Bei der Xeroderma pigmentosum kommt es zu Veränderungen auf der Haut, in den Augen und zu vermehrten Krebserkrankungen, weil DNA-Reparaturenzyme die Schäden durch die UV-Strahlung nicht beheben. Beim Rothmund–Thomson Syndrom kommt es aufgrund eines anderen Gendefekts ebenfalls zu Störungen der Augen, der Haut und einem erhöhten Krebsrisiko. Gendefekte mit überlappenden Phänotypen lagen in der Fallserie aus Houston bei jedem dritten Patienten vor, dessen Exom zwei oder mehr Gendefekte aufwies. 

Einfacher haben es die Ärzte bei einem Patienten, der gleichzeitig an einem KBG-Syndrom und einer Ichthyosis vulgaris leidet. Das KBG-Syndrom ist leicht an den Skelettvarianten und der Gesichtsform der Betroffenen zu erkennen. Hinzu kommen noch eine verminderte Intelligenz und eventuell Krampfanfälle. Bei der Ichthyosis vulgaris liegt lediglich eine Verhornungsstörung der Haut vor.

Den meisten Ärzten dürfte es angesichts der Vielfalt der Phänotypen schwer fallen, zu einer Verdachtsdiagnose zu kommen. Die US-Forscher haben deshalb einen „OMIM Explorer“ entwickelt, der nach der Eingabe von einzelnen Kennzeichen mögliche zugrundeliegende Syndrome auflisten soll. © rme/aerzteblatt.de

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