Ärzteschaft
Gassen: „Wir haben viel geschafft“
Freitag, 9. Dezember 2016
Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will zur Sacharbeit zurückkehren und sich im kommenden Jahr der Bundestagswahl unter anderem möglichen Wegen der Patientensteuerung und der Digitalisierung widmen. Darauf hat der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen, hingewiesen. „Trotz vieler Kritik und heftigster Auseinandersetzungen: Wir haben viel geschafft“, lautete heute sein Fazit. Auch seien die Geschäfte der KBV nun in Ordnung gebracht, die Querelen aus der Vergangenheit über beispielsweise die sogenannte Apo-Vermietung geklärt. Entsprechende Beschlüsse seien auf der geschlossenen Sitzung der KBV-Vertreterversammlung am Donnerstag gefasst worden, hieß es auf der Pressekonferenz. Auch erklärte Gassen am Freitag offiziell, dass er für das Amt des KBV-Chefs erneut kandidieren werde. Bis zur Wahl im März 2017 werde er in einer Interimszeit von etwa zwei Monaten gemeinsam mit einem Team das KBV-Tagesgeschäft leiten.
Gassen betonte in seiner öffentlichen Rede unter anderem die „konstruktive Sacharbeit“, mit der die Vertreterversammlung das Konzeptpapier KBV 2020 erarbeitet habe. „Keine andere Körperschaft der Selbstverwaltung hat ein derartiges Zukunftskonzept entwickelt“, stellte Gassen klar. Sobald in den kommenden Wochen sich die Vertreterversammlung aller KVen konstituiert haben, solle an der Umsetzung weiter gearbeitet werden und die "Gesprächsfäden zur Politik und zu den Partnern der Selbstverwaltung und zu den Verbänden weitergesponnen werden", so Gassen. Besonders beim Thema Notfallversorgung und Bereitschaftsdienst habe man regionale Partner wiedergewonnen. Das sei ein "ermunterndes Beispiel" für die Arbeitsfähigkeit der KVen.
Ein Thema, das im Konzept eine wichtige Rolle einnehme, sei die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Er warnte vor einer grenzenlosen Euphorie: „Wir begrüßen ausdrücklich die Möglichkeiten von Vernetzung, Digitalisierung und Telemedizin. Sie nutzen zwar dem Arzt-Patienten-Kontakt, sie werden ihn aber nicht ersetzen können.“
Er charakterisierte die Rolle des GKV-Spitzenverbands als Bremser, wenn es um die Honorierung von telemedizinischen Leistungen geht. Außerdem rief er die Delegierten dazu auf: „Wir sollten unsere ärztliche Kompetenz nutzen, um die Zukunft sinnvoll – und das heißt patientengerecht – zu gestalten.“
Die Herausforderungen der neuen Legislaturperiode beschrieb er damit, Antworten zu den Fragen des demografischen Wandels oder zur Stabilisierung der ärztlichen und psychotherapeutischen sowie der gemeinsamen Selbstverwaltung zu finden. Er forderte eine ehrliche Diskussion bei der Frage der künftigen Gestaltung des Gesundheitswesens.
Deutliche Worte richtete er in Richtung Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG): Sie verschleiere die wahren Ineffizienzen des Krankenhaussystems und scheue sich davor, die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen. „Aber auch innerärztlich müssen wir uns die Frage stellen, welche Kooperationen wir schließen und welche Allianzpartner wir gewinnen wollen“, erklärte er und betonte: „Dazu gehört auch ein kooperatives und koordiniertes Miteinander von Kollektiv- und Selektivvertrag, wie wir es im Konzept KBV 2020 festgehalten haben.“
Ebenso ermunterte er die Mitglieder der Vertreterversammlung, sich deutlich gegen das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Selbstverwaltungsstärkungsgesetz zu stellen. Die neue Satzung, die die Delegierten im Anschluss an seine Rede und ausführliche Diskussion mit großer Mehrheit beschlossen haben, sei die richtige Antwort auf das Gesetz.
"Wir haben nun einen Vorschlag, der aus einem Guss all das zusammenfasst, was für eine moderne Körperschaft nötig ist." Darin sei alles vorweg genommen, was nun im Gesetz stehe. "Vielleicht sieht die Politik jetzt auch, dass es das Gesetz nicht braucht", erklärte Gassen später vor Journalisten. Die neue Satzung sieht unter anderem einen Ausschluss für Complience vor sowie eine neue Geschäftsstelle für die Vertreterversammlung. Dort soll ein Geschäftsführer den Vorsitzenden der Vertreterversammlung unterstützen.
Gassen stellte sich auch klar gegen die Vorgabe im Gesetz, einen verpflichteten dreiköpfigen Vorstand einzusetzen. "Dieser Hausarzt-Facharzt-Konflikt ist aber doch in Wirklichkeit eine Schimäre. Dieser angebliche Streit wird uns gerne von Außen aufoktroyiert." Die Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten über die internen Querelen der KBV hätten "viel Kraft gekostet". "Diese Amtsperiode war in vielerlei Hinsicht sehr herausfordernd. Einiges an Porzellan ist zerschlagen worden", so Gassen. "So manchen persönlich-gefärbten Angriff gegen mich hätte ich in der Form nie für möglich gehalten", sagte er abschließend.
In der anschließenden Diskussion sahen die Mitglieder der Vertreterversammlung nicht nur positives in der Bilanz der vergangenen fünf Jahre. So erklärte Werner Baumgärtner, Hausarzt in Baden-Württemberg und Medi-Vorsitzender, dass die Jahre nicht erfolgreich gewesen seien. Die Beschäftigung mit den internen Problemen habe die KBV politisch beschädigt. „Seien wir doch ehrlich, dass die KBV politisch keinen Einfluss mehr hat“, sagte Baumgärtner.
Er appellierte an alle Mitglieder, sich in den kommenden Wochen auf allen politischen Ebenen dafür einzusetzen, dass sich das Selbstverwaltungsstärkunggesetz nicht in dieser Form durchsetzten kann. „Wir müssen als KBV wieder politisch als Interessenvertretung für Ärzte wahrgennommen werden und dürfen uns nicht mehr ausschließlich mit uns selbst befassen. Wir sind die wirtschaftliche und politische Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte", sagte er unter Applaus der Mitglieder der Vertreterversammlung.
Psychotherapeutin Barbara Lubisch forderte vom KBV-Vorstand, sich gegen das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz einzusetzen. Sie sieht es vor allem als problematisch an, dass Psychotherapeuten künftig kaum eine Chance auf einen der drei Vorstandsposten haben. Laut Gesetz soll die dritte Person im Vorstand keinem der zwei Versorgungsbereiche angehören, laut Gesetzesbegründung gehörten Psychotherapeuten zum fachärztlichen Versorgungsbereich. Außerdem forderte Lubisch politische Unterstützung bei der Umsetzung der Terminservicestellen auch für Psychotherapeuten. "Nur durch ein Gesetz bekommen wir nicht mehr Kapazitäten zur Versorgung."
Walter Plassmann aus Hamburg warb ebenfalls dafür, sich stärker gegen das Gesetz zu wehren. "Wie das Bundesgesundheitsministerium in die Selbstverwaltung hinein regiert, ist nicht zu akzeptieren."
Ein großes Ärgernis für die VV-Mitglieder ist auch die Umsetzung des Medikationsplanes. Hier verabschiedete die Vertreterversammlung eine Resolution, in der die Vergütung für den Plan als "vollkommend unzureichend und nicht aufwandgerecht" bezeichnet und damit abgelehnt wird. Das entsprechende Formular müsse angepasst werden, der Vorstand wird in einem weiteren Beschluss aufgefordert, in neue Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband über die Finanzierung der PVS-Software-Updates zu treten. Generell sollten Ärzte und Psychotherapeuten die Kosten für neue Software, die für neue gesetzliche Vorgaben benötigt werden, nicht mehr übernehmen müssen, heißt es in einem weiteren, einstimmig verabschiedeten Antrag.
In einem weiteren Antrag wird der KBV-Vorstand aufgefordert, die Vergütung der nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa) sowie die Chronikerpauschale mit dem GKV-Spitzenverband neu zu regeln.
© bee/may/aerzteblatt.de
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