Vermischtes
Gramm statt Prozent: Mediziner fordert neue Alkoholangaben
Freitag, 30. Dezember 2016
Rostock – Rund um die Feiertage sind viele Menschen in Deutschland mit dem Auto unterwegs. Und für viele gehört auch das ein oder andere Glas Wein oder Bier dazu. Doch wer weiß schon, wie viel er trinken darf, ohne nicht mehr fahrtüchtig zu sein? Der Notfallmediziner der Universitätsmedizin Rostock, Gernot Rücker, glaubt, dass die meisten Menschen dies nicht einschätzen können. Er fordert eine Vereinfachung der Angaben auf Alkoholprodukten, um die Rechnung selbst aufmachen zu können.
Ein Blick in Rückers „Gramm-Tabelle“ zeigt, dass zwei Flaschen Bier à 0,5 Liter bei einem Zwei-Zentner-Mann zu mehr als 0,5 Promille führen. Zwei Gläser Rotwein mit zwölf Volumenprozent bringen eine Frau von 60 Kilogramm Körpergewicht auf einen Wert von rund einem Promille, nahe der absoluten Fahruntüchtigkeit. Dass die Rechnung so einfach geht, liegt an Rückers Wissen um die Alkoholmenge pro Flasche. Deswegen fordert er, dass künftig Gramm und Volumenprozent angegeben werden. Die dazugehörigen Tabellenwerte seien leicht einzuprägen und blieben konstant.
Seine Argumentation zur neuen Kennzeichnung klingt einleuchtend: Bei jedem Stoff in der Biologie oder bei Lebensmitteln wird die Wirkmenge, also die Grammzahl angegeben. Im Blick hat Rücker besonders die Jugendlichen, genau die müssten wissen, was sie sich antun. „Und das geht mit Grammangabe und dem Wissen um die Tabellenwerte. In der Kneipe sitzen und einen Dreisatz mit einer Unbekannten ausrechnen, ist doch unlogisch.“
„Ich habe viel Sympathie für alles, was dem Verbraucher einen maßvollen Umgang mit Alkohol leichter macht“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, zu Rückers Forderung. Doch angesichts der Zahl von fast zehn Millionen Menschen, die mehr Alkohol trinken als ihrer Gesundheit guttut, zeigt sie sich eher skeptisch. Denn ob die Kennzeichnung wirklich einen Mehrwert bringt, hängt ihrer Meinung nach von weiteren Zusatzinformationen wie Geschlecht oder Körpergewicht auf der Verpackung ab.
Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie verweist auf die Angaben, die die Hersteller auf die Etiketten drucken müssen. Alle anderen für den Endverbraucher interessanten Informationen seien auf der Webseite „massvoll-geniessen.de“ zu finden. „Wir gehen davon aus, dass sich die Konsumenten auch Off-Label umfassend informieren“, betonte Geschäftsführerin Angelika Wiesgen-Pick.
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Das wird nicht ausreichen, sagt Rücker. Denn jeder Deutsche trinkt nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung knapp zehn Liter Alkohol, in gängige Alkoholika wie Bier oder Wein übersetzt fast eine Badewanne voll. „Wir sind eine ,Heavy-Drinking-Nation’.“ Die Menschen hätten verlernt, das Genussmittel Alkohol vom Rauschmittel zu unterscheiden. Die Folgen seien immens: Rücker verweist auf Berechnungen, dass der Staat über die Alkoholsteuer jedes Jahr rund drei Milliarden Euro einnimmt, aber mit 27 Milliarden Euro an Ausgaben etwa für Folgebehandlungen und andere Schäden rechnen muss.
Rücker zufolge sterben jedes Jahr rund 70.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums, 5.000 an akuter Alkoholvergiftung. Und fast ein Drittel aller Straftaten und der Großteil der Vergewaltigungen geschehen unter Alkoholeinfluss, so Rücker. 2015 hätten deutsche Gerichte zudem knapp 50.000 Führerscheine nach Promillefahrten entzogen. © dpa/aerzteblatt.de

die 27 Mrd €
Angesichts von 74.000 Alkoholfolgetoten pro Jahr - das sind über 200 JEDEN TAG wäre es vor allem angemessen, den enthaltenen Alkohol in allen Getränken gleichmäßig zu besteuern - egal ob Bier, Wein oder Wodka - und damit einen Mindestpreis für Alkohol zu installieren. Den Organen und dem Nervensystem ist es nämlich egal, ob der Alkohol innerhalb oder außerhalb des Körpers verdünnt wird.
Auch Warnhinweise auf den Flaschen wären gerechtfertigt, ähnlich wie bei Tabak: Gesichert krebserregend, fetotoxisch, organtoxisch, neurotoxisch... was braucht es denn noch?

Alkohol-Angaben in Gramm...
Beim Blutalkohol-Gehalt in Promille muss näherungsweise mit der Widmark-Formel gearbeitet werden. Sie berücksichtigt, dass der Anteil von Körperflüssigkeit am Körpergewicht bei Männern (ca. 68%) und Frauen (ca. 55%) unterschiedlich hoch ist. Die Widmark-Formel lautet:
BAK (Promille) = Alkoholmenge in Gramm / (Körpergewicht in Kilogramm x Anteil Körperflüssigkeit)
Deshalb können diese Ergebnisse gar nicht auf jeder Alkohol-Getränkeflasche angegeben werden. Sie sind auch kein Dreisatz.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) gibt ein Rechenbeispiel: Sie haben 3 Bier (à 0,3 l, ca. 4,8 Vol.-%) getrunken und wiegen 70 Kilogramm.
Mann = (3 x 12 Gramm) / (70 Kilogramm x 0,68) = 0,75 Promille
Frau = (3 x 12 Gramm) / (70 Kilogramm x 0,55) = 0,93 Promille
https://www.kenn-dein-limit.de/alkohol/haeufige-fragen/was-ist-die-blutalkoholkonzentration/
Ansonsten stimme ich dem Notfallmediziner und Kollegen der Universitätsmedizin Rostock, Gernot Rücker, zu: Der Staat muss endlich von der Alkoholsteuer, mit der er jedes Jahr rund drei Milliarden Euro einnimmt, ebenso wie von der Tabak-, Benzin- und Diesel-Steuer für die Bewältigung der dadurch entstehenden Unfall-, Umwelt-, Schaden- und Krankheits-Folgen etwas abgeben!
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
P.S.: Der Dreisatz ist eine Verhältnisgleichung/Proportionalität wie A:B=C:D oder in der Prozentrechnung X:100=Y:Z

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