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Medizin

Diabetes: Umgebaute Nierenzellen messen Blutzucker und produzieren Insulin

Montag, 12. Dezember 2016

Zürich – Schweizer Forschern ist es gelungen, embryonale Nierenzellen in Beta-Zellen umzufunktionieren. Sie waren laut einer Studie in Science (2016; 354 1296-1301) nach der Implantation in die Bauchhöhle in der Lage, den Blutzucker-Stoffwechsel von diabetischen Mäusen zu regulieren.

Der Diabetes mellitus könnte zu den ersten Krankheiten gehören, bei denen im Labor hergestellte Zellen zum Einsatz kommen. Die meisten Forscherteams versuchen derzeit, die notwendigen Zellen, die in der Lage sein müssen, auf einen erhöhten Blutzucker mit der vermehrten Freisetzung von Insulin zu reagieren, aus Stammzellen herzustellen. Der Weg könnte jedoch einfacher sein. Ein Team um Martin Fussenegger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich experimentiert mit soge­nannten HEK-Zellen, eine häufig verwendete und vergleichsweise einfach zu handhabende Zelllinie aus embryonalen Nierenzellen („Human Embryonic Kidney“).

Diese Zellen verfügen bereits über Glukose-Transportproteine und Kalium-Kanäle in der Membran. Um HEK-Zellen in funktionierende Beta-Zellen zu verwandeln, mussten die Forscher noch einen spannungsabhängigen Kalzium-Kanal sowie Gene zur Produktion von Insulin in das Erbgut der Zellen einbauen.

Die Forscher können zeigen, dass die künstlichen Beta-Zellen über die Glukose-Transportproteine Glukose ins Zellinnere befördern. Sobald der Blutzuckerspiegel eine gewisse Schwelle überschreitet, verschliessen sich die Kalium-Kanäle. Dadurch kippt die Spannungsverteilung an der Membran, die Kalzium-Kanäle öffnen sich und das einströmende Kalzium löst eine in die HEK-Zellen eingebaute Signalkaskade aus, an deren Ende die Produktion und Ausschüttung von Insulin steht.

Die Wissenschaftler haben die künstlichen Beta-Zellen bereits in Mäusen getestet. Die Beta-Zellen wurden dazu in Alginatbällchen eingebaut und in die Bauchhöhle der Tiere injiziert. Die Zellen übernahmen die Kontrolle des Blutzuckers in einer wie Fussenegger schreibt äußerst effektiven Weise.

Die Zellen hätten besser und länger als alle bisher weltweit erreichten Lösungen funktioniert, schreibt der Forscher. In diabetischen Mäusen implantiert, produzierten die modifizierten HEK-Zellen während drei Wochen zuverlässig und in ausreichenden Mengen die Blutzuckerspiegel regulierenden Botenstoffe. Diese Zellen könnten eingesetzt werden, um einen Typ 1-Diabetes zu behandeln.

Die Forscher haben aber auch eine Lösung für den Typ 2-Diabetes parat, der durch eine Insulinresistenz gekennzeichnet ist. Die Beta-Zellen der Patienten müssen deshalb mehr Insulin produzieren. In die Bauchhöhle implantierte HEK-Zellen könnten dies unterstützen, in dem sie das Hormon GLP1 (Glucagon-like Peptide 1) produzieren. GLP1-Agonisten wie Exenatid oder Liraglutid werden mit Erfolg zur Behandlung des Typ 2-Diabetes eingesetzt.

Sie müssen aber wie Insulin subkutan injiziert werden. Die künstlichen Beta-Zellen, die das Schweizer Team entwickelt hat, könnten den Patienten die Injektionen ersparen. Da die Zellen mit einem Glukose-Sensor versehen sind, können sie gerade so viel GLP1 produzieren, wie zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels notwendig ist. 

Bei Mäusen hat dies gut funktioniert, ob die Behandlung auch bei Menschen sicher und effektiv ist, lässt sich nicht vorhersagen. Zunächst dürften weitere tierexperimentelle Studien notwendig sein. Erst danach könnte die klinische Entwicklung begonnen werden, die sich erfahrungsgemäß über Jahre hinzieht. Fussenegger rechnet frühestens in zehn Jahren mit einer Marktreife.

© rme/aerzteblatt.de

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