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Politik

Verschreibungs­pflichtige Arzneimittel: Ministerium will Versandhandel verbieten

Dienstag, 13. Dezember 2016

/dpa

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland verboten werden soll.

Damit reagierte das Ministerium auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom November, das die gesetzliche Festlegung eines einheitlichen Apothekenpreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland als Verstoß ge­gen EU-Recht ange­sehen hatte. Aus Sicht der Richter stellt die deutsche Gesetzgebung eine nicht gerecht­fertigte Beschrän­kung des freien Warenverkehrs in der Europäischen Union (EU) dar. Als Folge des Urteils könnten Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland ihren Kunden Bo­ni auf ver­schreibungspflichtige Arzneimittel gewähren oder auch höhere Preise verlan­gen.

Im Gesetzentwurf will das BMG nun einen Passus in das Arzneimittelgesetz aufneh­men, das den Versandhandel von Arzneimitteln erlaubt, die nicht der Verschreibungspflicht un­terliegen. Daraus ergebe sich, das verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr ver­sen­det werden dürften, heißt es in dem Entwurf.

BMG sieht „Inländerdiskriminierung“
Das BMG argumentiert, dass die Umsetzung des EuGH-Urteils für deutsche Apotheken zu einem Wettbewerbsnachteil führe: „Der einheitliche Apothekenabgabepreis gilt weiter­hin für inländische öffentliche Apotheken, die zusätzlich Arzneimittel im Wege des Ver­sand­handels abgeben. Gegenüber ausländischen Versandapotheken ist dies eine euro­parechtlich mögliche Inländerdiskriminierung.“ Die Beseitigung dieser Ungleichbe­hand­lung sei notwendig. Denn die sich aus dem Urteil unmittelbar ergebende Rechtslage ei­nes erheblichen Wettbewerbsnachteils der inländischen Apotheken gegenüber den Ver­sandapotheken mit Sitz im EU-Ausland gefährde die bestehende Struktur der flächen­deckenden und wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

Es sei zu erwarten, dass ausländische Versandapotheken ihre Marktanteile durch die Ge­währung von Boni vergrößern könnten, heißt es im Gesetzentwurf weiter. Da das Ge­samtvolumen des Marktes jedoch weitgehend gleich bleibe, gehe mit der Verschiebung der Marktanteile eine Ausdünnung des bestehenden Netzes öffentlicher Apotheken ein­her. Dies habe vor allem Auswirkungen auf den Notdienst sowie die pharmazeutische Be­treuung.

EuGH kippt Preisbindung für verschreibungs­pflichtige Medikamente

Luxemburg/Berlin – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gekippt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise benachteilige Versandapotheken im EU-Ausland und beschränke somit den freien Warenverkehr in der EU, befand der EuGH [...]


„Insbesondere ist davon auszugehen, dass komplexe Beratungen älterer Patientinnen und Patienten mit Polymedikation zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit im persönlichen Kontakt und in Kooperation mit dem lokalen heilberuflichen Netzwerk bes­s­er und wirkungsvoller erbracht werden können als über Telefon oder Internet“, schreibt das BMG. Zudem sei über die Präsenzapotheken eine schnelle Versorgung gewährleis­tet.

Das EuGH-Urteil habe zudem Auswirkungen auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland. „In einem auf dem Sachleistungsprinzip beruhenden solidarisch finanzierten System der Gesundheitsversorgung sind Boni in Form von Bargeld oder Gut­scheinen an Patientinnen und Patienten nicht sachgerecht“, heißt es im Gesetzent­wurf. „Zudem wird hierdurch die Steuerungsfunktion der sozialversicherungsrechtlich ge­regelten Zuzahlungsregelung, die bei Versicherten die verantwortungsvolle Inanspruch­nah­me der Leistungen der GKV fördern soll, unterlaufen, weil Versicherte ihre Zuzahlung reduzieren können.“ Wann das Gesetz in Kraft treten soll, ist noch unklar. Es sei jedoch ein „schnellstmögliches Inkrafttreten“ geboten.

Zustimmung von Apothekern und Bundesrat
Bereits kurz nach dem EuGH-Urteil hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigt, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ver­bieten zu wollen. Daraufhin war ihm vorgeworfen worden, Lobbyinteressen der Apothe­ker zu bedienen.

Die Apotheker befürworten den vorliegenden Gesetzentwurf. „Es ist richtig und es ist gut, dass Bundesminister Gröhe zügig einen Gesetzentwurf für ein Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgelegt hat“, erklärte der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Friedemann Schmidt. „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das ausländischen Versandhändlern ein Unterlaufen der Arzneimittelpreisbindung erlaubt, hat eine extreme Schieflage im Wettbewerb erzeugt.“

Ein umgehendes Versandhandelsverbot sei die konsequente Lösung, die es jetzt brau­che, um wieder faire Wettbewerbsbedingungen für die Präsenzapotheken herzustellen und die Versorgung in der Fläche zu sichern. Man könne das Problem nicht auf die lange Bank schieben und zusehen, wie die Situation in der Arzneimittelversorgung kippe. Ende November hatte sich auch der Bundesrat für ein Verbot des Versandhandels mit ver­schrei­bungspflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen.

Widerspruch von Krankenkassen und SPD
Kritik kommt hingegen von den Krankenkassen und von der SPD. Gerade der Versand­handel könne dazu beitragen, dass die Versorgung von Patienten im ländlichen Raum ver­bessert werde, hatte der stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Jo­hann-Magnus von Stackelberg, vor kurzem erklärt. Ähnlich argumentierte der stellver­tre­tende SPD-Fraktionsvorsitzende, Karl Lauterbach: „Gerade für chronisch kranke Men­schen in strukturschwachen Gebieten mit wenigen Apotheken wäre es unzumutbar, ihnen diesen einfachen Weg der Arzneimittelversorgung abzuschneiden.“ Stattdessen müsse man darüber nachdenken, die Beratungsleistung in den Apotheken vor Ort besser zu vergüten. © fos/aerzteblatt.de

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