Medizin
Studie: Soziale Hilfestellung mindert Herz-Kreislauf-Risiken (ein wenig)
Mittwoch, 14. Dezember 2016
Boston – Eine soziale Beratung, die bedürftigen Menschen Unterstützung für dringende tägliche Bedürfnisse vermittelt, hat in einer Studie in JAMA Internal Medicine (2016; doi: 10.1001/jamainternmed.2016.7691) geholfen, erhöhte Blutdruckwerte und Cholesterinwerte zu senken, während der HbA1c-Wert nicht verbessert werden konnte.
Die meisten kardiovaskulären Risikofaktoren haben eine soziale Komponente. In den meisten Ländern ernähren sich ärmere Menschen ungesünder, bewegen sich weniger und kardiovaskuläre Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck, erhöhtes Cholesterin und erhöhter Blutzucker werden seltener behandelt. Dies kann an der Ignoranz bildungsferner Schichten liegen, es kann aber auch sein, dass die Betroffenen kein Geld für gesunde Nahrungsmittel haben, oder ein Busticket für die Anreise zum Arzt fehlt. Auch andere durchaus vorhandene Hilfen werden häufig nicht in Anspruch genommen.
Das Problem mag in den USA, wo die staatliche Sozialfürsorge schwächer ausgebildet ist und die Bedürftigen mehr auf Spenden und Privatinitiativen angewiesen sind, ausgeprägter sein als hierzulande. Die Studie, deren Ergebnisse Seth Berkowitz vom Massachusetts General Hospital in Boston vorstellt, könnte jedoch auch auf Deutschland übertragbar sein, da sie zeigt, dass eine Beratung helfen kann, den Gesundheitszustand sozial Bedürftiger zu verbessern.
In der Studie ging es um ein Hilfsangebot von Health Leads, einer in Boston ansässigen Organisation, die eine Sozialberatung für bedürftige Patienten anbietet. Ein Mitarbeiter stellte in der Praxis zunächst fest, ob die Betroffenen Anrecht auf finanzielle Hilfen zum Kauf von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Karten für den Nahverkehr, Arbeitslosenhilfe, Wohngeld oder andere Unterstützungen haben, die bisher nicht in Anspruch genommen wurden. Der Berater hilft den Betroffenen dann dabei, diese Hilfen zu erhalten.
Dieses Screening deckte bei 1.774 von 5.125 Patienten wenigstens eine Bedürftigkeit auf. Doch obwohl das Hilfsangebot kostenlos war, zeigten nur 1.021 Personen (58 Prozent) Interesse an einer Beratung durch Health Leads. Dabei konnten die Berater nach durchschnittlich fünf Kontakten in einem Zeitraum von sechs Wochen fast 60 Prozent der Betroffenen helfen.
Berkowitz hat die beiden Gruppen, solche mit sozialer Bedürftigkeit und solche ohne soziale Bedürftigkeit, über einen Zeitraum von fast drei Jahren begleitet.
Am Ende hatten die bedürften Patienten, die die Hilfe von Health Leads angenommen hatten, ihren systolischen Blutdruck um 2,6 mm Hg und den diastolischen Blutdruck um 1,4 mm Hg stärker gesenkt als die Bedürftigen, die eine Hilfe abgelegt hatten. Beim LDL-Cholesterin betrug der Unterschied 6,3 mg/dl, während es beim Langzeitblutzucker HbA1c keine signifikanten Unterschiede gab.
Dass der Blutzucker nicht verbessert wurde, ist bedauerlich, da der HbA1c-Wert mit einem Ausgangswert von 7,53 Prozent vermutlich das größere gesundheitliche Problem der Patienten war. Der Ausgangsblutdruck war mit 133,1/76,6 mm Hg kaum erhöht und das LDL-Cholesterin von 103,0 mg/dl hätten viele Ärzte hierzulande kaum als behandlungsbedürftig eingeschätzt. Eine weitere Einschränkung der Studie ist, dass die Zuordnung zu den Studiengruppen nicht randomisiert war. Es ist möglich, dass die Bedürftigen, die an der Beratung teilnahmen, auch eine höhere Motivation für die Einnahme ihrer Medikamente hatten. © rme/aerzteblatt.de

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