Medizin
Suizidprävention: Typische Verhaltensmuster auf Bahnsteigen analysiert
Donnerstag, 15. Dezember 2016
Quebec – Fast ein Viertel aller Suizide in Metrostationen könnte mit Hilfe einer Realtime-Videoüberwachung verhindert werden. Erstmals haben Forscher aus Canada Filmmaterial von Bahnsteigen auf typisches Verhalten identifiziert. In einer Studie, die heute in BMC Public Health publiziert wurde, teilen sie eine Reihe der eindeutigsten Verhaltensweisen mit, die ein Suizidrisiko anzeigen (2016; doi: 10.1186/s12889-016-3888-x). Eine weitere Studie zum Thema Suizidgedanken bei Piloten ist heute in Environmental Health erschienen (2016; doi: 10.1186/s12940-016-0200-6).
Eine der folgenden Verhaltensweisen reicht nicht aus, um auf einen Suizid zu schließen. Zwei der folgenden Hinweise in Kombination könnten hingegen den Verdacht erhärten, erklärt Erstautor Brian Mishara, Direktor des Centre for Research and Intervention on Suicide and Euthanasia at the University of Quebec in Montreal.
- Gegenstände auf dem Bahnsteig zurücklassen
- regelmäßige Blicke in den Tunnel
- langes Stehen auf der gelben Grenzlinie
- Auf- und Ablaufen auf der gelben Grenzlinie
- starrer Blick auf die Schienen oder in den Tunnel
- depressiv bedrückt (subjektive Interpretation)
- unruhig (subjektive Interpretation)
Insgesamt untersuchten die Forscher Filmmaterial von 66 Suizidversuchen in Metrostationen in Montreal, anhand derer sie die aufgelisteten Indizien festmachen. Davon versuchten Passanten in 37 % der Fälle, den Suizid zu verhindern. „Bei drei von vier Suizidversuchen haben wir klare Hinweise beobachtet, dass die Personen keinen sicheren Entschluss gefasst hatten“, sagt Mishara. Sie zögerten oder schützen sich vor dem vorbeirollendem Zug.
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Im zweiten Teil der Studie begutachteten 33 unabhägige Personen das Videomaterial von 63 Fällen. Sie bekamen jedoch nur die fünf Minuten vor dem Suizidversuch zu sehen und zudem 53 Videos, bei denen kein Suizidversuch folgen würde. Zuvor erhielten sie die Liste der Hinweise, auf die sie achten sollten, um eine Einschätzung über den weiteren Fortgang des Filmausschnitts abzugeben. In 53 % der Fälle lagen die Beobachter mit ihrer Vermutung, ob ein Suizidversuch folgen würde, richtig. „Beobachter müssten ein spezielles Training erhalten, um typische Verhaltensweisen noch besser zu erkennen“, folgert Mishara.
Suizidgedanken bei Piloten häufig
Zuletzt wurde das Thema Suizidprävention unter anderem beim Selbstmord des Germanwingspiloten diskutiert, der 150 Menschen mit in den Tod nahm. Einer Studie zufolge, die heute in Environmental Health erschienen ist, haben etwa 4 % der Piloten (n = 75) weltweit Suizidgedanken. Weitere 12,6 % erfüllten die Kriterien für eine mögliche Depression. Die Studienautoren um Alex Wu von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston haben erstmals eine anonyme Befragung unter fast 3.500 Piloten durchgeführt. Die Rücklaufquote betrug etwa 50 %, 45,5 % davon stammten aus den USA, 12,6 % aus Canada, 11,1 % aus Australien und 0,9 % aus Deutschland (n = 32). © gie/aerzteblatt.de

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