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Ärzteschaft

Physiotherapeuten sollen künftig strukturiert Osteopathie lernen

Mittwoch, 14. Dezember 2016

dpa

Berlin – Im Streit um die Osteopathie haben Ärzte und Physiotherapeuten erneut klar Stellung bezogen: Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Berufsverbände der Ortho­päden sowie der Physiotherapeuten begrüßen den Ansatz des Bundesgesund­heits­ministeriums (BMG), im Rahmen des Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III), die osteopathische Therapie mit 60 Unterrichtseinheiten in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Ausbildung von Physiotherapeuten zu verankern.

Genau gegen diese Verankerung der Osteopathie in der Ausbildung zum Physiothera­peuten laufen Verbände der Osteopathen seit längerem Sturm. Ihr Ziel ist im Gegenteil, die Osteopathie als eigenen Heilberuf zu etablieren. „Letztlich geht es den Verbänden um den Primärzugang, also um die Versorgung von Patienten ohne dass Ärzte oder Physiotherapeuten daran beteiligt sind“, warnte Matthias Psczolla, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM), Ende Oktober gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

„Die Initiative des BMG wird seitens der Ärzteschaft und der Physiotherapeuten befürwortet und mitgetragen, weil sie aus Gründen des Patientenschutzes die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen klarstellt“, sagte der BÄK-Vizepräsident Max Kaplan nach einem Treffen von Vertretern der BÄK, der DGMM, der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV).

Die Verbände betonten, dass die Anwendung vor allem manualtherapeutischer Techniken in die Hände qualifizierter Ärzte und Physiotherapeuten gehöre, um Risiken für die Patienten möglichst auszuschließen. In der ärztlichen Weiter- und Fortbildung lägen die entsprechenden Curricula – Manuelle Medizin sowie Osteopathische Verfahren – im Umfang von knapp 500 Stunden bereits seit etlichen Jahren vor. „Auch für Physiotherapeuten sind deshalb dringend Qualifizierungsmaßnahmen zu schaffen“, betonten die Verbände.

Die BÄK betont, dass die Unterrichtseinheiten im Rahmen der Physiotherapie-Ausbil­dung selbstverständlich nicht ausreichten, um das Verfahren in der Praxis anzuwenden. Die Verankerung in der Ausbildung sei aber zunächst die rechtliche Grundlage dafür, dass eine Position ‚Osteopathische Therapie‘ überhaupt Eingang in entsprechende qualitätssichernde Weiterbildungsregelungen der Bundesländer und des Gemeinsamen Bundesausschusses finden könne.

Die DGMM hatte bereits im Oktober 2016 gemeinsam mit der BÄK und der DGOU umrissen, welchen Stellenwert osteopathische Verfahren haben sollten und wie sie in die Behandlungskette aufgenommen werden könnten. „‘Osteopathische Therapie‘ ist eine Ergänzung und Erweiterung der ‚Manuellen Therapie‘, keinesfalls ein eigenes neues System oder gar ein völlig anderes Heilmittel oder eigenes Berufsfeld, das Ärzte und Physiotherapeuten nicht gemeinsam abdecken könnten“, heißt es darin.

„Der augenblickliche Verstoß der Osteopathie-Verbände dagegen ist ein scharfer Angriff gegen die Expertise von Ärzten und Physiotherapeuten, die man in der politischen Lobbyarbeit als unfähig darstellt, die Bevölkerung adäquat zu versorgen“, sagte Psczolla dem Deutschen Ärzteblatt. © hil/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #720880
MPsczolla
am Montag, 19. Dezember 2016, 13:54

Osteopathische Träumereien

Ich muss schon etwas schmunzeln über die Kommentare auf die gemeinsame Presseerklärung unserer Verbände und der BÄK.
Offenbar leben wir hier auch schon im “postfaktischen” Zeitalter.
Halten wir uns zunächst einmal an die Fakten:
1. “Osteopathie” ist und bleibt bis heute ein völlig undefinierter Begriff, dessen Inhalte von einzelnen Gruppen völlig unterschiedlich definiert wird.
2. Ärzte haben nach ihrem Studium und der Weiterbildung zum Facharzt die Möglichkeit, Manuelle Medizin als Zusatzweiterbildung zu erlernen. Diese Qualifikation dient der Patientensicherheit. Man beachte auch die hohen Qualitätsvorgaben der Politik und Kassen bei Erbringung solcher Leistungen.
3. Schon in der Manuellen Medizin sind seit Jahren osteopathische Inhalte im Sinne einer Erweiterung implementiert. Die zusätzlichen Inhalte sind als “Osteopathische Verfahren” im Rahmen einer strukturierten Fortbildung zu erlernen.
4. Diese Osteopathische Verfahren (siehe wissenschaftliche Bewertung der BÄK) stellen auch in den USA eine Erweiterung der Manuellen Medizin dar und gehen fließend ineinander über.
5. Da ein erheblicher Teil osteopathischen Tuns ärztliche Heilkunde ist (siehe USA, hier besonders), stehen in Deutschland eine völlig ausreichende Zahl von manualmedizinisch weitergebildeten und osteopathisch fortgebildeten Ärzten zur Verfügung.
Nach wie vor ist und bleibt die Aussage falsch, dass “Osteopathie” ein völlig eigenes Medizinsystem sei. Osteopathische Verfahren sind also schon im System integriert.
Hier fühlt sich die Ärzteschaft und unsere wissenschaftlichen Gesellschaften auch nicht “bedroht”, von daher handelt es sich auch nicht um eine berufspolitische Frage des Abstecken von “Claims” sondern um eine Frage der Patientensicherheit und Qualität, die von uns als Ärzteschaft zu Recht eingefordert wird, von anderen Gruppierungen offenbar nicht.
6. Die Behauptung, “Osteopathie” als “ganzheitliche Medizin und Heilkunde” zu bezeichnen, die eine völlig andere Qualität als die etablierte Medizin habe und daher im Ausschuss des Bundestages zu behaupten, dass die Bevölkerung durch die Ärzteschaft nicht hinreichend versorgt sei und man nun endlich einen weiteren Gesundheitsberuf neben dem Arzt und Heilpraktiker einführen müsse, stellt schon eine bizarre Verkennung der Versorgungsrealität dar. Man glaubt also nach einem osteopathischen Studium besser zu sein als ein Arzt mit Facharztweiterbildung, Zusatzweiterbildung und Fortbildung in osteopathischen Verfahren.
Die Verbrämung mit “ganzheitlichen” und anderen Vokabeln aus der esoterischen und spirituellen Welt lenkt von der Tatsache ab, dass die wissenschaftliche Fundierung in weiten Teilen fehlt und sich auch das Bemühen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern sowohl bei den ärztlichen als auch bei nichtärztlichen Gruppierungen nicht sehr ausgeprägt ist und mehr der Eminenzbasierung eines übersteigerten Selbstbewusstseins geschuldet ist.
7. Nur der Heilpraktiker darf laut Gesetz neben dem Arzt Heilkunde ausüben. Jeder selbsternannte “Osteopath” jedweder Aus- Fort- und Weiterbildung kann dies legal in Deutschland ausüben. Es besteht keine Einschränkung der Berufsausübung! Auch der Patient hat hier volle Versorgung und Wahlfreiheit. Wo ist also das Problem?
6. PT’s haben eine qualifizierte Ausbildung mit der Möglichkeit, Manuelle Therapie, das ist der an Pt’s delegierbar Teil der Manuellen Medizin, als Zertifikatsposition zu erwerben.
“Osteopathische Therapie” betrachten wir Verbände auch hier als den an PT’s delegierbaren Anteil der Osteopathischen Verfahren. Aus Haftungsgründen sind in Deutschland keine Thrust- Techniken und andere Eingriffe, die eine gynäkologische oder internistische Weiterbildung erfordern, erlaubt. Das bleibt auch so, alle anderen Regelungen würden weitere auch haftungsrechtliche Folgen haben.
7. Der Weg, in die PT-Ausbildung 60 Stunden “Osteopathische Therapie” zu integrieren, ist daher der momentane Königsweg.
Die Behauptung der osteopathischen Verbände, dass mit diesen 60 Stunden diese Therapie erlernt sei und die Patientensicherheit gefährde, wird im Rahmen des “postfaktischen” gebetsmühlenartig wiederholt.
Fakt ist: 100 Stunden Manuelle Therapie in der Ausbildung der PT’s befähigen auch nicht zur Zertifikatsposition “Manuelle Therapie”. Dies erfordert ein Weiterbildung im Rahmen von 260 Stunden.
60 Stunden Osteopathische Verfahren in der Ausbildung müssen ergänzt werden durch 260 Stunden Weiterbildung.
Dann hat ein PT 500 Stunden Gesamtausbildung in “Manueller Therapie” und “Osteopathischer Therapie”, die Patientensicherheit ist voll gewährleistet und die Qualität im System. Diese beiden Themen gehören also in die Hand der Physiotherapie!
8. Die weitere Frage, ob diese z.T. nicht evidenzbasierte Therapie durch wen auch immer bezahlt wird und in den Heilmittelkatalog aufgenommen werden kann, soll der GBA entscheiden, so wie er das bei den Ärzten auch tut. Das ist die richtige Qualitätssicherung.
9. Die Tatsache, dass die Kassen mit ihrer unsäglichen, durch keinerlei Qualitätssicherung untermauerten Satzungsleistung für “Osteopathie” den legitimen Wunsch vieler PT’s, über die “Osteopathie” den - anders nicht zu erreichenden - Primärzugang auf dem Silbertablett Heilpraktiker serviert, gefördert haben, ist eine der unschönsten Fehlallokationen von Versichertengeldern der vergangenen Jahre.
Dies hat auch die osteopathischen Verbände ermutigt, Laien und PT’s mit ihrer Ideologie einer viel besseren Medizin in Fortbildungen zu locken, die teuerst bezahlt, keinen return on investment nach sich gezogen haben und werden. Für viele ein Sackgasse, wie sie jetzt bemerken.

Dass hier unsere ärztlichen wissenschaftlichen Verbände gemeinsam mit der Bundesärztekammer und dem SHV der Politik die richtige systemkonforme Weichenstellung empfehlen, ist legitim, schmeckt natürlich nicht jedem.
Avatar #720789
Marina Fuhrmann
am Freitag, 16. Dezember 2016, 10:34

Osteopathie ist kein Teil der Physiotherapie!

Wir begrüßen ausdrücklich die Gesprächsbereitschaft der Koalitionsfraktionen, der Mitglieder des Gesundheitsausschusses und das gut funktionierende Anhörungsverfahren zum PSG III. Die Fraktionen haben aus den vorgetragenen Argumenten die richtigen Schlüsse gezogen und den Antrag zurückgezogen. Das zeugt einerseits von einem ergebnisoffenen Dialog, andererseits aber auch von der hohen Fachlichkeit und sachlichen Atmosphäre, in der Argumente vorgebracht und ausgetauscht werden konnten. Osteopathie versteht sich als ganzheitliche Medizin und Heilkunde, die einer langjährigen, umfassenden Qualifikation und ständiger Fortbildung bedarf und nicht in einzelne Segmente zerpflückt werden kann. Sie hat ihren Stellenwert im deutschen Gesundheitssystem, ist kein Teil der Physiotherapie oder eine „krankengymnastische Behandlungstechnik“ und sollte es auch nicht werden, sondern verlangt ihrem ganzheitlichen Ansatz, der Patientensicherheit und den Richtlinien der WHO zufolge nach einem eigenständigen Beruf für nichtärztliche Osteopathen. Der im Änderungsantrag verankerte Stundenumfang von 60 Stunden wäre ein Angriff auf die Patientensicherheit gewesen, hätte der Osteopathie in Deutschland massiven Schaden zugefügt und keine Lösung für die langjährig osteopathisch ausgebildeten Physiotherapeuten und die akademisch ausgebildeten Osteopathen dargestellt. Auch Rechtssicherheit im Hinblick auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 8.9.2015 hätte es nicht gegeben, da durch die Integration der Osteopathie in die Physiotherapie auf geringem Qualitätslevel die Problematik des OLG-Urteils, das sich auf die volle osteopathische Qualifikation nach BAO- Kriterien bezieht, nicht tangiert wird. Die geforderten Standards der BÄK und der DGMM divergieren zudem stark von denen osteopathischer Ärzteverbände.

Prof. Marina Fuhrmann, Vorsitzende des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V.
Avatar #677446
MarHome48IBMneu
am Donnerstag, 15. Dezember 2016, 13:10

Nützt die Osteopathie denn?

Darf man angesichts der Debatte "Wer hat den Hut auf?" denn auch noch fragen, ob der Nutzen der Osteopathie eigentlich belegt ist? Das könnte sehr entspannend sein, und es würde den begonnenen Weg der Fundierung der medizinischen Behandlung auf gute Studien beschreiten statt primär über das Abstecken von Claims zu streiten. Osteopathie ist sehr schwach belegt (http://edzardernst.com/2016/04/osteopathy-revisited/).

Prof. Dr. med. Norbert Schmacke/ Bremen
Avatar #659614
Wilkmann
am Donnerstag, 15. Dezember 2016, 13:09

HEILPRAKTIKER SIND AUCH BEFUGT, OSTEOPATHIE THERAPEUTISCH EINZUSETZEN

Neben den Ärzten sind ES zunächst die Heilpraktiker, die schon seit Jahrzehnten die Ostoepathie - eine qualifizierte Ausbildung z.B. bei der ACON e.V. vorausgesetzt - einsetzen. Die Osteopathie-Behandlungen sind auch TEil des offiziellen Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker; werden somit auch von den PKV erstattet.

Dennoch sind 60 Std. zum "Reinschnuppern" ein Witz - vor allen Dingen dann, wenn ich als Therapeut, der wie die Physiotherapeuten weisungsgebunden bin und nicht selbstständig diagnostizieren darf, diese MEthode später nicht einsetzen darf.
Ärzte und Heilpraktiker sind in Deutschland die einzigen Berufe, die offiziell selbst diagnostizieren und danach auch selbstständig therapieren dürfen!
ES ist quasi so, als wenn ein Maurer in seiner Lehrzeit als Azubi 60 Std. ins Bäckerhandwerk einblicken darf - was bringt´s?

soviel zum Thema Ärzte und Physios - Heilpraktiker sind bitte im gleichen Atemzug zu nennen.
MfG Lucas Wilkmann DO.DN , Hp.
Avatar #720724
th.sm1
am Mittwoch, 14. Dezember 2016, 20:39

Das BMG hat richtig gefragt, aber die Antworten nicht richtig interpretiert!

Es steht ausser Frage, dass die Osteopathie einer klaren Eingliederung in das Gesundheitssystem bedarf. Bedauerlich ist nur das Tauziehen um die Sicherung der eigenen Position in dieser Diskussion. Politik, Ärzteschaft und Therapeuten sind mit therapeutischen Anwendungen in erster Linie den Patienten verpflichtet, was leider nicht im Mittelpunkt dieser Diskussion steht. Die Darstellung der an der Diskussion beteiligten Organisationen und deren Schlussfolgerung lassen erkennen, dass der Mehrwert der Osteopathie eher als Bedrohung des Berufsstandes gesehen wird, anstatt als sinnvolle Ergänzung der bestehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Einen osteopathischen Crashkurs in die physiotherapeutische Ausbildung einzugliedern und die Behandlungszeiten zu kürzen, wird eher dazu führen Osteopathie als beliebige manuelle Technik (no offense-damit möchte ich nur auf den deutlich holistischeren Ansatz in der Osteopathie hinweisen) zu degradieren sowie die Wirkungsweise und diagnostische Aussagekraft zu schmälern. Um osteopathisch erfolgreich behandeln zu können, bedarf es eines extrem hohen palpatorischen Gespürs sowie einer umfassenden Kenntnis an dreidimensionalem anatomischen Wissen und Erfahrung in der physiologischen Wechselwirkung. Dieses kann man nur in einem langwierigen konzentrierten Lern-und Übungsprozess erwerben. Eine Diagnose ist Kernstück dieser Therapie und daher auch notwendiger Weise vom Osteopathen vorzunehmen.
Die BÄK hat also durchaus Recht, dass die Unterrichtseinheiten nicht ausreichen, um osteopathisch behandeln zu können. Warum wählen sie dann diesen Ansatz? Völlig unverständlich ist aber die Position der DGMM, die selber über die Zusammenarbeit mit der ÄMM in die Ausbildung von Osteopathen Einblick hat. Das Hr. Psczolla die fachliche Kompetenz der Ärzteschaft und Therapeuten eher bedroht als ergänzt sieht, ist ein Armutszeugnis und stellt seine Position in diesen Verhandlungen selber in Frage.
Warum überhaupt werden in der Diskussion zwischen Ärzten, Physiotherapeuten und Osteopathieverbänden Fronten geschaffen, zumal die meisten Osteopathen doch selber Ärzte und Physiotherapeuten sind?!
Es wäre wünschenswert, wenn das BMG dieses Kompetenzgerangel von lobyistischen Gruppen schnellstens beendet, um nach möglichst unverfälschter Recherche Entscheidungen auf den Weg zu bringen, die den therapeutischen Erfolg der Osteopathie in ordentlichen Strukturen zugänglich macht.
LNS
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