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Politik

Bundesrat beschließt zahlreiche Reformen

Freitag, 16. Dezember 2016

/Bundesrat, Frank Bräeuer

Berlin – Der Bundesrat hat heute zahlreiche Reformen rund um die Themen Gesundheit und Soziales gebilligt. Es geht unter anderem um Arzneimittel, Pflege sowie die Teilhabe von behinder­ten Menschen.

Durchgewinkt hat die Länderkammer die umfangreiche Reform des Arzneimittelrechts. Sie sieht Verbesserungen bei der Arzneimittelsicherheit vor und erlaubt künftig die grupp­ennützige Forschung in engen Grenzen an nichteinwilligungsfähigen Menschen. Mit dem Gesetz sind künftig also Tests zum Beispiel an schwer Demenzkranken und an­deren Menschen, die nicht mehr einwilligungsfähig sind, auch dann möglich, wenn die Betroffe­nen davon keinen eigenen Nutzen haben.

Die Novelle sieht vor, dass Personen künftig nach verpflich­tender ärztlicher Aufklärung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit ihre Be­reit­schaft zur späteren Teilnahme an Forschungsvorhaben in einer Verfügung er­klären können. Die Studien dürfen nur minimal belastend sein und müssen von einer Ethik­­kommission und der zuständigen Oberbehörde gestattet werden. Ein kommerzielles Interesse darf es nicht geben.

Bislang sind klinische Prüfungen in Deutschland grundsätzlich an strenge Voraussetzun­gen geknüpft. So müssen Ethikkommissionen über jede Studie befinden. Mit dem neuen Gesetz werden die Ethikkommissionen künftig nicht mehr die letzte Entscheidungs­be­­fug­nis in dieser Sache haben, sondern von einer Bundesoberbehörde überstimmt werden können. Die Reform hatte im Vorfeld heftigen Widerspruch bei Ethikern, Kirchen und Behinder­ten­verbänden ausgelöst, vor allem wegen der Studien an Demenzkranken. Auch der Bundesrat hatte im April eine ausführliche Stellungnahme zum Regierungs­ent­wurf verabschiedet. Im Bundestag war das Vorhaben so umstritten, dass der Fraktions­zwang aufgehoben wurde.

Pflegereform abgesegnet
Abgesegnet hat der Bundesrat auch die dritte Stufe der Pflegereform. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen künftig besser über die Möglich­keiten bei der Pflege bera­ten werden. Dabei sollen Kommunen Beratung verstärkt vermitteln und mit der Altenhilfe und anderen Trägern abstimmen. Der Bundestag hatte die Pläne von Bundesge­sund­heits­minister Hermann Gröhe (CDU) zum Pflegestärkungsgesetz III jüngst verabschiedet.

Nach dem Gesetz soll es zudem Betrügern in der ambulanten Pflege schwerer gemacht werden. Gegen Abrechnungsbetrug soll die gesetzliche Krankenversicherung ein syste­matisches Prüfrecht erhalten. Nach jüngsten Todesfällen im Zuge von Heilpraktiker­be­handlungen wird zudem eine rechtliche Grundlage für Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern geschaffen.

Die Länderkammer stimmte zudem zwei Entschließungsanträgen zu, in denen die Bun­desregierung unter anderem aufgefordert wird, die Auswirkungen der Neuregelun­gen auf die Vergütungen in der stationären und ambulanten Pflege bis Ende 2019 nochmals zu überprüfen. Es wird befürchtet, dass nicht in allen Pflegeeinrichtungen nach Tarif ge­zahlt wird und es so zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.

Teilhabegesetz verabschiedet
Gebilligt hat der Bundesrat zwei Wochen nach dem Bundestag auch das umstrittene Bundesteilhabegesetz. Damit kommt auf Millionen Menschen mit Behinderung in Deut­schland ein umfassen­des neues Rechtspaket zu. Im Grundsatz hat das Gesetz als Ziel, dass niemand mehr über den Kopf der 7,6 Millionen Menschen mit schwerer Behinde­rung hinweg entscheiden soll. Die Eingliederungshilfe für Behinderte wird aus dem Für­sorgesystem der Sozialhilfe gelöst. Die Ansprüche werden im Sozialgesetzbuch IX fest­geschrieben. Mehrausgaben von rund 780 Millionen Euro pro Jahr sind vorgesehen.

Partnereinkommen werden nicht mehr auf die Eingliederungshilfe angerechnet. 2600 Euro vom eigenen Einkommen durften Bezieher von Eingliederungshilfe bisher selbst behalten. Der Freibetrag steigt auf zunächst 27.600 Euro und 2020 auf 50.000 Euro.

Die Kostenträger von Eingliederungshilfe – Kommunen und Länder – sollen etwa Assis­tenten zur Fortbewegung mehrerer Betroffener gemeinsam gewähren können. Dieses sogenannte Poolen hatte heftige Kritik ausgelöst. Für die 700.000 Betroffenen in Werk­stätten soll etwa durch ein Budget für Arbeit der Weg in den regulären Arbeitsmarkt lei­chter werden. Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent sollen helfen. In einer Entschlie­ßung kritisierte der Bundesrat, dass der Bund die Mehrkosten für Länder und Kommu­nen nicht übernimmt.

Der Bundesrat hat sich auch mit der notärztlicher Versorgung befasst. In einer heute ge­fassten Entschließung fordert die Länderkammer von der Bundesregierung die gesetzli­che Klarstellung, dass Honorarärzte sozialversicherungsfrei Notdienste in ländlichen Ge­bieten übernehmen können. Eine entsprechende Regelung Österreichs könnte dabei Vor­bild sein, hieß es. Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts, das die Auf­fas­s­ung des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern bestätigt hatte, dass die Not­arzttätigkeit als sozialversicherungspflichtig einzustufen ist.

Dies führt zur Verunsicherung unter Notärzten, die vor allem im ländlichen Raum zuneh­mend auf Honorarbasis tätig sind. Der Bundesrat warnte deshalb, dass es deutlich schwie­riger werden könne, Notarztstandorte im notwendigen Umfang zu besetzen. Fach­verbände seien zudem der Ansicht, dass der Ersatz sogenannter „Freelancer“ durch nichtselbständige Notärzte zu Akzeptanzproblemen führen könne, heißt es. Die Ent­schlie­ßung wird der Bundesregierung vorgelegt, die entscheidet, ob sie das Anliegen des Bundesrates angehen will. Feste Fristvorgaben gibt es dafür nicht.

Finanzielle Verbesserung der Hochschulambulanzen
Gefordert hat der Bundesrat auch die Verbesserung der finanziellen Situation von Hoch­schulambulanzen an Universitätskliniken. Trotz steigender Patientenzahlen erhielten sie entgegen bisheriger Zusagen nach wie vor keine kostendeckende Finanzierung, heißt es in einer Stellungnahme der Länder zum Entwurf des Selbstverwaltungs­stär­kungs­gesetz. Gegenüber den geplanten Verschärfungen der Aufsicht über die Spitzenorganisationen der kassenärztlichen Selbstverwaltungen hat der Bundesrat allerdings keine Einwände.

Der Entwurf des Selbstverwaltungsstärkungsgesetz soll die Kontrollrechte der Mitglieder in den Gremien der Selbstverwaltung verbessern. Damit reagiert die Bundesregierung unter anderem auf Kontroversen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). So erhalten die Mitglieder beispielsweise mehr Einsichts- und Prüfrechte. Geplant ist auch, die staatliche Kontrolle auszuweiten. Danach kann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) künftig jemanden in die KBV oder auch in den GKV-Spitzenverband entsenden, wenn dort gewichtige Probleme auftreten und externer Sachverstand erforderlich ist. Zu­dem soll der Gesetzentwurf eine unabhängige Prüfung der Vorstandsdienstverträge auf ihre finanziellen Auswirkungen überprüfen. Die Stellungnahme des Bundesrates geht nun an die Bundesregierung. © kna/dpa/may/aerzteblatt.de

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