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Politik

Qualitätsindi­katoren: G-BA-Mitglieder stellen sich gegen Bundesländer

Freitag, 16. Dezember 2016

Berlin – Die letzte öffentliche Sitzung des Jahres hatte es im Gemeinsamen Bundes­aus­schuss (G-BA) mit 47 Tagesordnungspunkten noch einmal in sich: Während sich die Ver­treter von GKV-Spitzenverband, Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Kassenzahn­ärztl­icher Bundesvereinigung, Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und Patientenor­gani­sati­o­nen in 41 Punkten einig waren, wurde bei sechs Themen intensiv gestritten.

Dazu ge­hör­te besonders die erste Entscheidung zu den künftigen Qualitätsindikatoren bei der Krankenhausplanung. Nach dem Beschluss sollen zunächst für die Abteilungen  Geburtshilfe, gynäkologische Operationen und Mammachirugie Qualitätsindikatoren fest­gelegt werden. Einen entsprechenden Bericht will das Institut für Qualität und Transpa­renz im Gesundheitswesen (IQTiG) am kommenden Montag veröffentlichen.

In der Diskussion im Plenum kam es ungewohnten Momenten: Der Vertreter der Län­der, Matthias Gruhl, nannte den vorliegenden Beschluss „schadhaft und unvollständig“ und verlangte, ihn an den Ausschuss zurückzuüberweisen und neue Beratungen anzu­stoßen. Nach seiner Aussage seien alle 16 Länder der Meinung, dass der Beschluss „ein Produkt sei, das schadhaft ist und damit in den nächsten Jahren in keinem Land ei­ne Krankenhausplanung nach Qualitätskriterien geben würde.“ Er verlangte, dass die Län­der einheitliche Vorgaben bekommen. Derzeit seien aus seiner Sicht die drei Prüf­kriterien – ist die Qualität in einer Klinikabteilung vorübergehend, unzureichend oder er­heblich unzureichend – nicht praktikabel. „Wir brauchen ein einheitliches Rüstzeug, da wir keine IQTiGs auf Landesebene haben.“ Dieser Einschätzung schlossen sich auch die Patientenvertreter an.

Dagegen protestierten der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, sowie die Kassen und die DKG in seltener Einigkeit: „Es ist unangemessen, dass diese Richt­linie so heftig kritisiert wird. Ich bin empört über diese Vorwürfe“, sagte Hecken im Plenum und fügte im Anschluss am Abend vor Journalisten hinzu: „Die Einwilligung zum Bruch der Ver­fassung, die die Länder gegeben haben, halte ich als Jurist für irrelevant.“ Außerdem „stehle sich der G-BA nicht aus der Verantwortung“, so Hecken im Plenum weiter. Nach sei­ner Ansicht schaffe der G-BA wie im Krankenhausstrukturgesetz vor­gesehen die Grund­lagen. „Die Länder müssen aber eigenverantwortlich die Entschei­dun­gen, so wie sie im Gesetz vorgesehen sind, umsetzen.“

Auch die GKV-Spitzenverbandsvorsitzende, Doris Pfeiffer, pflichtete Hecken bei: „Es macht doch misstrauisch, wenn die Länder in einer Frage wie der Krankenhausplanung, wo sie immer wieder auf ihre Autonomie pochen, jetzt uns als G-BA bitten, solch eine Ent­scheidung zu treffen.“ Auch DKG-Präsident Thomas Reumann, selbst Landrat in Reut­lingen, folgte dieser Ansicht: „Es ist politisch hoch interessant, dass die Länder hier Vorgaben von der Bundesebene verlangen.“ Die unparteiische stellvertretende G-BA-Vorsitz­en­de, Regina Klakow-Franck, stellte klar, dass der G-BA bundeseinheitliche Kriterien auf­stelle und die Qualität differenziere, wie es im SGB V vorgegeben sei.

„Die Länder be­kommen künftig viele Daten und sie werden schon wissen, was sie damit machen müss­en“, erklärte die Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung im Anschluss an das G-BA-Plenum. „Hier haben die Länder etwas überzeichnet“, sagte sie später vor Jour­nalisten. Die Datensammlung auf Landesebene beginne zum 1. Ja­nu­ar 2017, die Länder erhalten im darauffolgenden Jahr erste Ergebnisse. Ein dazuge­hö­riger Bericht werde dann im Herbst 2018 veröffentlicht.

In der Abstimmung einzelner Punkte setzte sich eine Mehrheit der Stimmen dann damit durch, wie die Qualitätsberichte der Kliniken veröffentlicht werden müssen. So wurde mit den Stimmen des GKV-Spitzenverbandes und des unparteiischen Hecken sowie seines Stellvertreters Harald Deisler durchgesetzt, dass es nicht zwei Berichte über die Qualität gibt. „Wir brauchen hier Transparenz und können nicht einen Bericht für die Planungs­be­hörden und einen für die Öffentlichkeit erstellen lassen. Das ist doch keine Geheimver­anstaltung“, erklärte Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat kein Stimmrecht bei Fragen, die die Kranken­hausplanung be­treffen.

Streitthema Personalvorgaben
Ein weiteres sehr strittiges Thema im G-BA-Plenum waren die Personalanforderungen an die Intensivpflege in Perinatalzentren. So sollten die Kliniken ab Anfang 2017 nach­wei­sen, dass auf neonatologischen Intensivstationen jederzeit mindestens eine Kinder­kran­kenpflegekraft je intensivtherapiepflichtigen Frühgeborenen mit einem Geburts­gewicht unter 1.500 Gramm verfügbar sei. Auch müssen genügend Pflegekräfte vorhan­den sein, die die Fachweiterbildung „Pädiatrische Intensivpflege“ abgeschlossen haben.

Nun wurde, gegen die Stimmen des GKV-Spitzenverbandes und unter Protest der Pa­tien­tenvertreter, den betroffenen Kliniken eine weitere Übergangsfrist bis zum 31. De­zem­ber 2019 gewährt. Bis dahin können Kliniken weiter von dem Personalschlüssel ab­weichen. „Aber nur dann, wenn sie zum Abschluss einer konkreten Zielvereinbarung auf Landesebene bereit sind“, sagte Klakow-Franck.

„In der einrichtungsbezogenen Zielver­einbarung ist festzulegen, welche Schritte und Maßnahmen zur Erfüllung der Personal­vor­gaben von dem Krankenhaus konkret zu ergreifen sind“, erklärte sie weiter. Außer­dem werde der G-BA in den kommenden Jahren eine regelmäßige Strukturabfrage bei allen Perinatalzentren durchführen, um den Ist-Zustand bei den Personalvorgaben zu prüfen.

Nicht zufrieden mit der weiteren Übergangszeit waren die Vertreter der Krankenkassen. „Wir haben Probleme, dem Beschluss zuzustimmen und fühlen uns erpresst, erst so spät über die Probleme informiert zu werden.“ Der Leiter der Abteilung Medizin beim GKV-Spit­zen­verband, Bernhard Eggerer, erklärte, dass es ärgerlich sei, dass offenbar einige Häuser die Beschlüsse zum Personalschlüssel, die bereits 2013 gefasst wurden, nicht umgesetzt haben.

DKG-Hauptgeschäftsführer Baum erklärte, man diskutiere schon länger über die Prob­leme, dass die entsprechende Personalausstattung nicht gewährleistet werden könne. Für die Kliniken sei es oftmals problematisch, das entsprechende Personal in den ver­gan­genen Jahren zu finden.

Die Patientenvertreter zeigten sich empört über das Verhalten der Klinken sowie über den vorgelegten Beschluss: „Wir haben 2013 ja alle naiv den Krankenhäusern geglaubt. Diese frühere Naivität müssen wir dringend heilen“, erklärte Ilona Köster-Steinebach im Plenum. Auf der Pressekonferenz konkretisierte sie die Vorwürfe: „Die jetzige Zählung, wie Personal und unvorhergesehene Ereignisse in die Prüfung einfließen sollen, halten wir nicht für eine hinreichende Sorgfaltspflicht.“ Außerdem sei der Beschluss „eine Be­loh­nung für die Kliniken, die noch nicht aktiv geworden sind.“

Dagegen erklärte Baum, dass „es ein wichtiger Tag für die Krankenhäuser“ sei und eine „katastrophale Situation für die Frühchenversorgung“ ab Anfang 2017 abgewendet wur­de. Die Kontroverse mit den Patientenvertretern über die Zählung der Schichten tat er mit „Sie können nicht rechnen“ ab. Auch Hecken ließ die Vorwürfe der Patientenvertreter nicht auf sich sitzen: „Wir dokumentieren jeden Einzelfall, und jede Klinik muss erklären, warum die Richtlinie nicht umgesetzt werden konnte.“ © bee/aerzteblatt.de

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