Politik
Schon ein Dutzend Verfassungsbeschwerden zur Suizidbeihilfe
Montag, 19. Dezember 2016
Karlsruhe – Gegen das vor einem Jahr vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Suizidbeihilfe liegen bereits ein Dutzend Verfassungsbeschwerden vor. Nachdem bislang Sterbehilfevereine, Palliativmediziner und tödlich Erkrankte das Gesetz als zu restriktiv ablehnten, reichte jetzt ein Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ eine Verfassungsbeschwerde ein, weil es den vor rund einem Jahr vom Bundestag beschlossenen Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs als zu liberal empfindet. Das bestätigte ein Sprecher des Gerichts heute in Karlsruhe.
Das heftig umstrittene Gesetz stellt die geschäftsmäßige, also organisierte Förderung der Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe. Angebote der Suizidbeihilfe wie das vom Verein „Sterbehilfe Deutschland“ von Roger Kusch sind damit untersagt. Nach dem Gesetz bleiben nahestehende Personen eines Todkranken allerdings von der Strafandrohung ausgenommen.
Dem Arbeitsbündnis gegen den assistierten Suizid gehören nach eigener Darstellung Ärzte, Juristen, Pädagogen, Philosophen, Ökonomen und Pfleger an, darunter auch der Philosoph und Mediziner Klaus Dörner. Sie kritisieren, dass durch das Gesetz die gesellschaftliche Akzeptanz des Suizids und der Suizidbeihilfe und damit auch die Zahl der Suizidtoten ansteigen dürften. Der Arzt sei aber Beschützer des Lebens und „dürfe nicht zur Gefahr für das Leben seiner Patienten werden“.
Bundestag stimmt für Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe
Berlin. Nach einer emotionalen und eindringlichen dreistündigen Debatte stellte der Bundestag heute mit einer überraschenden Mehrheit die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe [...]
Das Bündnis sieht in dem Gesetz eine „Abkehr von dem seit 2.400 Jahren respektierten ärztlichen Ethos in der Hippokratischen Tradition, den kranken Menschen zu heilen oder, wo dies nicht möglich ist, sein Leiden zu lindern“. Der Wille Sterbewilliger sei „nicht im positiven Sinne des Wortes frei“, Betroffene müssten vielmehr sowohl vor einer Kurzschlusshandlung als auch vor Handlungen Dritter geschützt werden. Dabei habe der Staat eine Schutzpflicht.
Die Bundesärztekammer hatte seinerzeit begrüßt, dass der Deutsche Bundestag den Anträgen einiger Parlamentarier für eine Liberalisierung der Sterbehilfegesetzgebung nicht gefolgt ist. „Die Ärzteschaft hat von Anfang an unmissverständlich klargestellt, dass die Tötung des Patienten, auch wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt, sowie die Beihilfe zum Suizid nach den Berufsordnungen aller Ärztekammern in Deutschland nicht zu den Aufgaben des Arztes gehören“, betonte damals im Anschluss an die Bundestagsentscheidung nochmals Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Gut sei auch, dass der Gesetzgeber der geschäftsmäßigen Sterbehilfe endlich einen Riegel vorgeschoben habe.
Das Verfahren steht in Karlsruhe am Anfang. Das hängt vor allem damit zusammen, dass nach dem Ausscheiden des Richters Herbert Landau und veränderten Zuständigkeiten im Zweiten Senat nun die Juristin Sibylle Kessal-Wulf als Berichterstatterin zuständig ist. Noch zu Landaus Amtszeit hatte das Gericht im Januar einen Eilantrag des Vereins „Sterbehilfe Deutschland“ abgelehnt. Die Richter begründeten das damit, dass Menschen zum Suizid verleitet werden könnten. Sie wollten der Gefahr entgegentreten, dass der „fatale Anschein einer Normalität und schlimmstenfalls sogar der sozialen Gebotenheit der Selbsttötung entstehen“ könne.
Sicher ist, dass es sich die Richter mit der Entscheidung nicht einfach machen werden. Dazu zwingen Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Fälle. Um die ethischen und rechtlichen Positionen in den Blick nehmen zu können, bat der Senat eine Reihe von Institutionen um ihre Einschätzungen, darunter die Kirchen. Auch eine mündliche Verhandlung, bei Verfassungsbeschwerden außergewöhnlich, ist derzeit nicht auszuschließen. © kna/aerzteblatt.de

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