Ärzteschaft
Psychotherapie: Mehr Anreize für Beruf gefordert
Mittwoch, 21. Dezember 2016
Berlin – Die von der Volkskrankheit Depression betroffenen Patienten müssen besser versorgt werden. Dazu sind vor allem auch eine bessere Forschung nötig und mehr niedergelassene Psychotherapeuten. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat daher die Bundesregierung aufgefordert, mehr Psychotherapeuten zur Behandlung zuzulassen. Angesichts der monatelangen Wartezeiten für psychisch kranke Patienten auf eine Behandlung müsse ihre Zahl insbesondere in ländlichen Regionen gefördert und deutlich erhöht werden, sagte Kammer-Präsident Dietrich Munz.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) verlangte eine intensivere Forschung auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen wie Depressionen. „Es gibt in Deutschland bereits Deutsche Zentren für Krebsforschung oder Deutsche Zentren für Kreislaufforschung. Und wenn man davon ausgeht, dass psychische Krankheiten Volkskrankheiten sind, dann wäre es auch an der Zeit, ein Deutsches Zentrum zur Erforschung von psychischen Erkrankungen zu haben“, sagte DGPPN-Präsidentin Iris Hauth.
Munz sagte, der Berufsstand und die Patienten litten heute noch unter den Fehlern, die nach der Wiedervereinigung bei der Planung des bundesweiten Bedarfs an Psychotherapeuten und psychotherapeutisch tätigen Ärzten gemacht worden seien. Damals sei die Bedarfsplanung für alle Bundesländer angelegt worden, „obwohl in den neuen Bundesländern der Bereich Psychotherapie noch sehr, sehr wenig ausgebaut war“.
In extremen Situationen müssen psychisch kranke Menschen etwa mit Depressionen bis zu fünf, sechs Monate warten, um einen Therapieplatz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten zu bekommen. Für einen Menschen, dessen Krankheit ihn antriebs- und motivationslos macht, sei das ein immenses Hindernis, sich in Behandlung zu begeben, erläuterte Munz und fügte hinzu, ungeachtet der Volkskrankheit Depression führten Psychotherapeuten und Psychiater in der Ärzteschaft immer noch „ein randständiges Dasein“ mit entsprechend geringer Vergütung.
Hauth beklagte, dass es – unabhängig von der Pharmaindustrie – keine staatlich geförderte Medikamentenforschung auch auf dem Gebiet der Depressionen gebe. „Wo die Industrie nicht mehr forschen will, müsste eigentlich staatliche Forschung greifen.“ Im Grunde gebe es seit Jahren keine wesentlichen Innovationen auf dem Gebiet der Antidepressiva. Positive Veränderungen hätten neue Präparate vor allem bei den Nebenwirkungen gebracht. „Wenn man wirklich ernsthaft weiterkommen will, dann sollten wir eine Strukturförderung haben und Netze, die auch längerfristig forschen.“
Nach Worten der DGPPN-Präsidentin ist bei der Patientenversorgung im ambulanten Bereich ein Stadt-Land-Gefälle zu beobachten. „Großstädte wie Berlin sind gut versorgt, während die neuen Bundesländer und die Flächenländer zu wenig Fachärzte für Psychiatrie und Psychosomatik haben“, sagte sie. Sie fordert, dass der Bedarfsplan für die niedergelassenen Fachärzte und psychologischen Therapeuten überarbeitet wird. Zudem seien Anreize nötig, damit die Fachleute auch in unterversorgte Regionen gehen. Generell würden niedergelassene Fachärzte für Psychiatrie, also die Vertreter der sprechenden Medizin, völlig unzureichend honoriert, machte auch Hauth deutlich.
Potenzial sieht sie auch in der Telemedizin. Lange Wartezeiten könnten durch internetbasierte Interventionen überbrückt werden. Zudem sieht sie hier Möglichkeiten, die Sektor übergreifende Zusammenarbeit zu verbessern, etwa durch intensiveren Wissensaustausch zwischen Haus- und Fachärzten.
© dpa/aerzteblatt.de

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