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Medizin

US-Kranken­versicherer lässt Exom seiner Mitglieder analysieren

Dienstag, 27. Dezember 2016

dpa

Tarrytown/New York und Danville/Pennsylvania – Der Versicherer Geisinger Health System bietet seinen Mitgliedern die komplette Analyse aller Protein-kodierenden Gene an. Unter den ersten 50.726 Mitgliedern hatten laut einer Publikation in Science (2016; doi: 10.1126/science.aaf6814) 3,5 Prozent Genmutationen, die die medizinische Betreuung beeinflussen könnten. Darunter waren Varianten in drei Genen, die zu einer familiären Hypercholesterinämie führten. Viele Erkrankungen waren den betreuenden Ärzten laut einem weiteren Bericht in Science (2016; doi: 10.1126/science.aaf7000) nicht aufgefallen.

Der Krankenversicherer Geisinger Health System mit Sitz in Danville/Pennsylvania hat 2014 zusammen mit der Pharmafirma Regeneron aus Tarrytown bei New York die MyCode Community Health Initiative gestartet, die bei den überwiegend im ländlichen Raum lebenden Mitgliedern offenbar auf hohen Zuspruch stößt. Bisher wurde bei 50.726 Patienten die Sequenz aller 18.852 Gene bestimmt, die die Information für die Proteine kodieren, die als Enzyme den Stoffwechsel regeln oder Teil des Zellgerüsts sind.

Pharmafirma und Versicherer sprechen von einer Win-Win-Situation. Regeneron will die Daten nutzen, um neue Medikamente für vielleicht noch nicht erkannte Erkrankungen zu entwickeln. Dazu erhält der Hersteller einen anonymisierten Zugriff auf die Kranken­akten der Patienten. Die Versicherten können hoffen, dass die schädlichen Folgen der bei ihnen entdeckten Mutationen durch bereits heute bekannte Therapien beeinflusst werden können.

Die Exomanalyse liefert eine Abfolge von Basenpaaren, aus denen sich die Amino­säuresequenz der Proteine ableiten lässt. Nicht jede Punktmutation führt zu einem veränderten Protein. Im Extremfall wird, etwa durch ein vorzeitiges Stoppsignal, ein verkürztes Protein gebildet, oder es kommt, etwa durch eine Verschiebung des Leserasters, zur Produktion eines völlig anderen Proteins, das in der Regel für die Zellen nutzlos ist und im schlimmsten Fall den Zellstoffwechsel stört. 

Wie David Carey von Geisinger Health System und Frederick Dewey vom Regeneron Genetics Center berichten, wurde in 7 Prozent aller Gene wenigstens bei einem Patienten eine sogenannte „Loss of function“ oder LoF-Mutation entdeckt. In den meisten Fällen ist heute noch unklar, ob dies einen Einfluss auf die Gesundheit hat. Oft ist die genaue Funktion der Proteine nicht bekannt und es ist immer möglich, dass der Ausfall des Proteins für die Betroffenen folgenlos bleibt. Dies dürfte eher die Regel, denn die Ausnahme sein, da es ja für die meisten Gene noch mindestens einen Ersatz auf dem homologen Chromosom gibt. 

In 76 Genen, deren Ausfall bekanntermaßen zu Krankheiten führt, wurde bei 3,5 Prozent der Patienten eine LoF-Mutation nachgewiesen. Näher untersucht wurde dies für die drei Gene LDLR, APOB und PCSK9. LDLR enthält die Information für den LDL-Rezeptor, APOB kodiert das Apolipoprotein B und PCSK9 liefert den Bauplan für Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9. Mutationen in allen drei Genen gehören zu den Ursachen der familiären Hypercholesterinämie (FH), unter denen einer von 250 Europäern leidet.

Die FH wird in der Praxis selten diagnostiziert, weil der Cholesterinwert nicht bestimmt wird oder weil eine familiäre Häufung nicht erfragt wird. Die Exom-Analyse der Versicherten könnte dies ändern, denn der Computer, der die Daten auswertet, würde den Arzt automatisch auf den Gendefekt aufmerksam machen. Auch bei den Versicherten von Geisinger Health System wurde die Diagnose der FH nur selten gestellt: Nur bei 24 Prozent der Träger einer LoF-Mutation fand das Team um Michael Murray vom Forschungszentrum des Versicherers einen Hinweis auf die Erkrankung in den Krankenakten, obwohl die Betroffenen in der Regel erhöhte LDL-Cholesterinwerte hatten.

Die Ärzte hatten in der Regel nur bei deutlich erhöhten LDL-Cholesterinwerten an die Möglichkeit einer FH gedacht. LoF-Mutationen in allen drei Genen waren mit einem erhöhten Risiko auf eine Koronare Herzkrankheit verbunden, sodass die Kenntnis des Genfehlers in der Regel ein guter Grund für die Behandlung mit einem Lipidsenker ist. Insgesamt 42 Prozent der Betroffenen hatten bisher keine Statine oder einen anderen Lipidsenker erhalten, und von denen, die behandelt wurden, hatten weniger als die Hälfte einen befriedigenden LDL-Cholesterinwert (empfohlen werden unter 100 mg/dl).

Die Krankenkasse hofft, durch die Information der Patienten die Behandlungen zu verbessern. Bisher erhalten die Versicherten Informationen zu 27 verschiedenen genetischen Erkrankungen, für die es mögliche Behandlungen gibt. Fast 200 Patienten, darunter 27 mit FH, seien inzwischen informiert worden, teilt der Versicherer mit. © rme/aerzteblatt.de

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