Medizin
Wie Metformin und ein altes Medikament Krebszellen gemeinsam erledigen
Donnerstag, 29. Dezember 2016
Basel – Die Kombination aus Syrosingopin, einem Derivat des früheren Neuroleptikums und Antihypertonikums Reserpin, mit Metformin, dem Mittel der Wahl zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, hat in präklinischen Studien eine erstaunlich gute Wirkung gegen Krebs gezeigt. Die Forscher führen dies in Science Advances (2016; 2: e1601756) auf einen doppelten Angriff auf die Energieversorgung der Krebszelle zurück.
Das orale Biguanid Metformin senkt den Blutzucker, indem es die Neubildung von Glukose in der Leber hemmt. Die Wirkung kommt nach heutiger Kenntnis durch eine Hemmung der Energieproduktion in den Mitochondrien zustande. Zu den besonders energiehungrigen Zellen gehören Krebszellen. Metformin ist deshalb auch ein potenzielles Krebsmedikament. Tatsächlich erkranken Diabetiker, die mit Metformin behandelt werden, seltener an Krebs. Für den klinischen Einsatz ist die krebshemmende Wirkung von Metformin jedoch viel zu schwach. Sie tritt in Zellversuchen erst in Konzentrationen auf, die von Menschen nicht mehr toleriert würden.
Ein Team um Michael Hall vom Biozentrum der Universität Basel hat deshalb gezielt nach Wirkstoffen gesucht, die die Wirksamkeit von Metformin gegen Krebszellen verstärken können. Bei einem systematischen Screening von 1.120 Substanzen sind sie auf eine bekannte Substanz gestoßen. Syrosingopin ist ein Derivat von Reserpin, einem Alkaloid aus der indischen Schlangenwurzel Rauvolfia serpentina. Sie wurde in Indien seit Jahrhunderten als Naturheilmittel verwendet. Im 18. Jahrhunderts gelangte sie auch nach Europa. Das Mittel senkt den Blutdruck und hellt die Stimmung auf. Reserpin wurde lange als Antihypertonikum und Neuroleptikum verwendet. In beiden Indikationen wurde Reserpin jedoch durch modernere und besser verträgliche Medikamente verdrängt.
Syrosingopin war in dem Screeningtest am ehesten in der Lage, die krebshemmende Wirkung von Metformin zu verstärken. Anschließende Experimente an Leukämie-Zellen, an Hepatosphären (Leberzellhaufen) und an einem hepatozellulärem Karzinom von Mäusen bestätigten den Eindruck. Die Kombination aus Syrosingopin und Metformin (oder anderen Biguaniden) könnte ein effektives Krebstherapeutikum sein. Beide Mittel sind zudem relativ gut verträglich, sodass im Prinzip schon bald mit klinischen Studien begonnen werden könnte.
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Die Schweizer Forscher gingen jedoch zunächst dem möglichen Wirkungsmechanismus der Kombination auf den Grund. Von Metformin ist bekannt, dass es die Atmungskette in den Mitochondrien hemmt. Betroffen wären in erster Linie Zellen mit einem hohen Energiebedarf, zu denen zweifelsohne Krebszellen gehören. Krebszellen kommen jedoch ohne die Energie aus den Mitochondrien aus. Sie beziehen die Energie in erster Linie aus dem anaeroben Abbau von Glukose, der Glykolyse.
Eines der beteiligten Enzyme, die Alpha-Enolase, wird laut weiteren Experimenten der Schweizer Forscher durch Syrosingopin gehemmt. Die Kombination aus Syrosingopin plus Metformin (oder der noch stärkeren Variante Phenformin) könnte den Tumor von den beiden wichtigsten Energiequellen abschneiden und dadurch das Krebswachstum hemmen. Für diese Erklärung spricht auch, dass Krebszellen, die sehr viel Alpha-Enolase bilden, resistent gegen die Kombinationstherapie wurden. Dies könnte dann die Wirksamkeit der Kombination begrenzen. © rme/aerzteblatt.de

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