Medizin
Speiseröhrenkrebs: Genomanalyse findet neue Therapieansätze für Adeno- und Plattenepithelkarzinome
Donnerstag, 5. Januar 2017
Boston – Die genetischen Unterschiede zwischen dem Adenokarzinom und dem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus sind größer als bisher vermutet. Dies zeigt eine Genomanalyse in Nature (2016; doi: 10.1038/nature20792), die Ähnlichkeiten zu den angrenzenden Karzinomen in Magen und Kopf-Hals-Bereich entdeckt hat, aus denen sich neue Ansätze für die Behandlung der beiden Krebserkrankungen ergeben könnten.
Dass Adeno- und Plattenepithelkarzinom des Ösophagus zwei unterschiedliche Erkrankungen sind, ist seit längerem klar. Das Adenokarzinom tritt vor allem im unteren Ösophagus auf, wo es sich häufig auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus entwickelt, der Folge einer langjährigen Refluxerkrankung ist. Das Plattenepithelkarzinom im oberen Ösophagus hat eher Ähnlichkeit mit Kopf-Hals-Tumoren, deren Risikofaktoren es teilt, etwa die Kombination aus Rauchen und Alkoholabusus.
Dennoch wird der Speiseröhrenkrebs klinisch als Einheit gesehen. Die Behandlung besteht in einer Ösophagektomie, die allerdings selten das Leben des Patienten retten kann. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei 12 bis 20 Prozent. Radio- und Chemotherapie erzielen meistens nur eine palliative Wirkung.
Ein Ziel der Genomanalyse des TCGA-Netzwerkes (The Cancer Genome Atlas) war die Suche nach neuen zielgerichteten Therapieansätzen, die sich aus der Entschlüsselung der genetischen Ursachen ergeben können. Das Team um Peter Laird vom Van Andel Research Institute in Grand Rapids im US-Staat Michigan hat hierzu das Genom von 164 Ösophagus-Tumoren, 359 Magen-Adenokarzinomen und 36 Adenokarzinomen am Übergang zwischen Magen und Ösophagus untersucht.
Die Adenokarzinome des Ösophagus zeigten eine so große Ähnlichkeit zum Magenkrebs, dass Laird eine einheitliche Bezeichnung als gastro-ösophageales Adenokarzinom vorschlägt. Die größte Übereinstimmung besteht mit einer Gruppe von Magenkarzinomen, die genetisch durch eine chromosomale Instabilität (CIN) gekennzeichnet sind. Dieser Typ war in einer früheren Genom-Analyse des TCGA-Netzwerkes als einer von vier genetischen Subtypen des Magenkarzinoms beschrieben worden. Die CIN ist gekennzeichnet durch die vermehrte Aktivität der Gene ERBB2 und VEGFA.
Ein Inhibitor von ERBB2 (auch als „HER2/neu“ bekannt) ist Trastuzumab. Der Antikörper, ursprünglich zur Behandlung des Mammakarzinoms entwickelt, wird inzwischen beim Magenkrebs eingesetzt, wenn deren Zellen HER2 exprimieren. Die Ähnlichkeit zum Magenkrebs könnte bedeuten, dass Trastuzumab auch beim Adenokarzinom des Ösophagus wirksam sein könnte.
VEGFA ist ein Ligand für den Rezeptor des vaskulären Wachstumsfaktors 2, der durch den Antikörper Ramucirumab blockiert wird. Ramucirumab, ein zur Behandlung des Magenkrebs zugelassener Antikörper, könnte deshalb auch beim Adenokarzinom des Ösophagus wirksam sein.
Das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus könnte aufgrund der aktuellen Studie in drei Subtypen aufgeteilt werden. Der erste Subtyp ist gekennzeichnet durch eine Aktivität des NRF2-Signalwegs. Das Gen NFE2L2 kodiert den Transkriptionsfaktor KEAP1, der Ansatzpunkt für eine neue Therapie dieses Tumors sein könnte.
Beim zweiten Subtyp wird das Gen BST2 vermehrt abgelesen. Antikörper gegen BST2 werden bereits in der Behandlung anderer Tumore erprobt. Auch für einen dritten Subtyp, der durch eine vermehrte Aktivität des PI3K-Signalwegs gekennzeichnet wird, könnten mit den PI3K Inhibitoren bald potenzielle neue Behandlungsformen zur Verfügung stehen.
Die Genomanalyse zeigte zudem, dass in beiden Varianten des Ösophaguskarzinoms, also Plattenepithel- und Adenokarzinom, eine Störung im Zellzyklus vorliegt, die klinische Studien zu dem kürzlich zur Behandlung des Mammakarzinoms zugelassenen Kinasehemmer Palbociclib nahelegen.
Die Genomanalyse der Ösophaguskarzinome liefert deshalb eine Fülle von neuen Therapieanregungen. Ob sie sich in klinischen Studien bewähren und irgendwann die Behandlungsergebnisse des Ösophaguskarzinoms verbessern, lässt sich natürlich nicht vorhersagen. © rme/aerzteblatt.de

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