Medizin
Blutdruck beeinflusst Geschlecht des Babys noch vor der Schwangerschaft
Freitag, 13. Januar 2017
Liuyang – Der Blutdruck der Mutter in den Monaten vor einer Schwangerschaft beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Hinweise dafür haben Forscher aus Kanada und China gefunden. Ihre Ergebnisse publizierten sie im American Journal of Hypertension (2017; doi: 10.1093/ajh/hpw165). Der entscheidende Unterschied liegt bei gerade mal 3 mmHg des systolisch gemessenen durchschnittlichen Blutdrucks. Die Relevanz des Ergebnisses für Frauen mit Kinderwunsch hinterfragen zwei Experten aus Deutschland.
Mehr als 1.400 Frauen aus Liuyang hatten die Forscher in China und Kanada in ihrer Studie untersucht. Alle hatten sie ein Ziel, sie wollten schnellstmöglich schwanger werden. Im Durchschnitt gelang ihnen das nach 26,3 Monaten. Insgesamt kamen 739 Jungen und 672 Mädchen zur Welt. Unter allen gemessenen möglichen Einflussfaktoren stellte sich nur einer als ausschlaggebend für das Geschlecht des Babys heraus: der systolische Blutdruck. Hingegen verursachten Cholesterin-, Blutzucker- und Triglyzeridwerte, Bildungsstatus, Alter oder der Body-Mass-Index (BMI) keinen signifikanten Unterschied.
Der systolische Blutdruck war bei Frauen, die einen Jungen zur Welt brachten, vor der Schwangerschaft höher als bei weiblichem Nachwuchs (112,5 ± 11,9 versus
109,6 ± 12,0 mmHg, P < 0.0001). Anhand des Blutdrucks konnten die Forscher daher das Geschlecht vorhersagen, und zwar unabhängig vom Alter der Mutter, ihrer Bildung, Rauchen, BMI, Taillenumfang, LDL- und HDL-Cholesterin, Triglycerid- und Blutglukosewerten.
Blutdrucksenkung wird Chancen auf ein Mädchen nicht erhöhen
„Die Blutdruckbereiche liegen im Alltag sehr nah beieinander“, erklärt Bernhard Krämer von der Universitätsklinik Mannheim. Frauen, die jetzt das Geschlecht ihres Kindes beeinflussen möchten, indem sie etwa versuchen, ihren Blutdruck zu senken, um ein Mädchen zu zeugen, werden enttäuscht. „Bei einem Unterschied von 3 mmHg und einer Standardabweichung von 12,0 mmHg wird es kaum möglich sein, das Geschlecht vorherzusagen“, schätzt der Vorsitzende der Deutschen Hochdruckliga.
Es handle sich um rein statistische Aussagen, die für Frauen im Alltag nicht anwendbar seien, da sind sich Krämer und Helmut Schatz, ehemaliger Direktor der Universitätsklinik Bergmannsheil, einig. Dennoch finden die beiden Experten für Hypertonie und Endokrinologie die Ergebnisse interessant. Sie sollten aber in weiteren Kohorten überprüft werden, sagt Krämer.
Schatz hinterfragt zudem, ob die erhobenen Werte überhaupt relevant sind. Denn Frauen wären nicht gefragt worden, ob sie Medikamente einnehmen, die den Blutdruck senken. „Die Variabilität von Blutdruckmessungen in verschiedenen Situationen – ambulant vom Arzt, von medizinischen Assistenzpersonen oder unbeobachtet und durch Automaten, wurde in letzter Zeit im Anschluss an die SPRINT-Studie heftig diskutiert“, ergänzt der Experte der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Frühere Studien haben gezeigt: Typischerweise werden Jungen etwas häufiger geboren als Mädchen. Die physischen Ursachen bei der Mutter für dieses Überwiegen sind unklar. Der männliche Überhang kippt jedoch, wenn Katastrophen, Kriege, Terroranschläge oder Wirtschaftskrisen ihre Spuren hinterlassen. Die „culled cohort“-Theorie besagt, dass es in diesen Zeiten bei gebrechlichen männlichen Feten häufiger zu Fehlgeburten kommt.
Wahrscheinlich entscheidet sich auch bei der chinesischen Kohorte erst im Laufe der Schwangerschaft, ob mehr Jungen oder Mädchen geboren werden, vermutet Krämer. Wer also den Blutdruck senkt, um seine Chancen auf ein Mädchen zu erhöhen, steigert womöglich nur das Risiko einer frühen Fehlgeburt im Falle eines Jungen. Wie ein Unterschied von nur 3 mmHg die Befruchtung selbst geschlechtsspezifisch beeinflussen können soll, kann er sich nicht erklären. © gie/aerzteblatt.de

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