Politik
Terminservicestellen: Hohe Kosten, wenige Vermittlungen
Dienstag, 17. Januar 2017
Berlin – Seit einem Jahr helfen die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) Patienten bei der Suche nach einem Facharzt. Wie hoch die Kosten dafür in Deutschland sind, dazu gab es bislang kaum Zahlen. Auch, weil die KVen an die Organisation unterschiedlich herangegangen sind. Manche haben die Stelle intern aufgebaut, andere haben die Aufgabe an ein Callcenter vergeben. Einige haben Personal eingestellt, andere die Aufgaben an bereits vorhandenes Personal verteilt. In einer Blitzumfrage hat das Deutsche Ärzteblatt nun die Zahlen bei den KVen erfragt.
Demnach schwanken die Kosten bei den zehn KVen, die Zahlen nennen konnten, für die Terminservicestelle im vergangenen Jahr deutlich: Die KV Bremen beziffert diese auf rund 88.000 Euro, das Saarland auf 125.000 Euro und Berlin auf 152.000 Euro. Die KV Niedersachsen, die die Aufgabe an ein Callcenter vergeben hat, veranschlagte 180.000 Euro dafür, in Nordrhein waren es ebenfalls rund 180.000 Euro. In Schleswig-Holstein hat die Terminservicestelle Kosten in Höhe von 200.000 Euro, in Baden-Württemberg von etwa 260.000 Euro und in Bayern 265.000 Euro gebracht; Westfalen-Lippe geht von 375.000 Euro (für 2017) aus. Die KV Hessen gab die Ausgaben für das vergangene Jahr sogar mit rund einer Million Euro an.
Die andere KVen konnten die Kosten für 2016 nach eigenen Angaben nicht beziffern oder die Daten nicht vorlegen. Sollten die Kosten in den fehlenden KVen sich aber auf einem ähnlichen Niveau bewegen wie bei den anderen, dürften alle KVen bundesweit im vergangenen Jahr damit insgesamt mindestens rund 3,5 Millionen Euro für Aufbau und Arbeit der neuen Terminservicestellen ausgegeben haben. Dem gegenüber stehen rund 120.000 bundesweit vermittelte Termine, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte. Hauptsächlich nachgefragt wurden laut KBV übrigens Nervenärzte, Hautärzte, Gastroenterologen und Orthopäden.
Aufwand und Nutzen der Terminservicestellen liegen nach Auffassung der KV Hessen in einem deutlichen Missverhältnis. Dies könne „nicht negativer sein“, schimpfte der dortige Vorstandsvorsitzende Frank Dastych. Er hatte die Ausgaben im ersten Jahr auf rund eine Million Euro für die KV Hessen beziffert. Im Gegenzug wurden dort seit Einführung gerade einmal rund 9.000 Termine vermittelt – im Durchschnitt 36 pro Arbeitstag. Die KV hat Konsequenzen gezogen und die Zahl der Beschäftigten zurückgefahren. Statt zehn wie beim Start im Januar 2016 hat die Terminservicestelle im Januar 2017 noch 6,5 Mitarbeiter.
Die Terminservicestelle der KV Nordrhein hat etwa rund 10.000 Facharzttermine an gesetzlich versicherte Patienten aus dem Rheinland vermittelt. Im Schnitt wurde die Servicestelle seit ihrer Einführung im Januar 2016 von 500 bis 600 Patienten pro Woche kontaktiert, die Gesamtzahl der Anrufer lag bei etwa 17.500. Die Kosten für die Terminservicestelle lagen bei rund 180.000 Euro.
Beispiel Berlin: Dort wurden 5.799 Anrufer in Facharztpraxen vermittelt. Insgesamt verzeichnete die Terminservicestelle 16.347 Nachfragen. Die Kosten beliefen sich laut KV auf 152.000 Euro.
Wie sich die Kosten, die im vergangenen Jahr unter anderem auch durch den Aufbau der Strukturen erhöht gewesen sein könnten, im laufenden Jahr gestalten werden, ist schwierig vorherzusagen. Darauf weisen einige KVen hin. Denn ab April sind die Terminservicestellen auch für die Vermittlung von Psychotherapeuten zuständig. Gerade dort gibt es hohe Wartezeiten, was zu einem erhöhten Anrufaufkommen führen könnte.
120.000 Terminvermittlungen versus 580 Millionen Behandlungsfälle
Die KBV wies angesichts der bundesweit derzeit lediglich 120.000 vermittelten Termine bei etwa 580 Millionen ambulanten Behandlungsfällen im gleichen Zeitraum erneut darauf hin, dass die Terminservicestellen unnötig sind. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen stellte die Frage, ob manche Gesetze – wie etwa in den USA nicht unüblich – auf Zeit gemacht werden sollten. Funktioniere ein Gesetz nicht, würde es automatisch auslaufen, hieß es.
KBV und KVen machten darüber hinaus deutlich, dass eine Vielzahl der Anrufe unnötig waren. Grob gibt es demnach drei Kategorien: Ein Drittel der Menschen sucht allgemeine Informationen, ohne einen Termin zu erfragen. Ein weiteres Drittel hat nicht den nötigen Überweisungsschein. Das letzte Drittel benötigt tatsächlich Hilfe, ihnen wird ein Termin bei einem Facharzt vermittelt. „Es gibt weniger als zehn Patienten, die wir nicht vermitteln konnten“, sagte Gassen.
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Während die Ärzteschaft die Terminservicestellen ablehnt, will Bundesgesundheitsminister Gröhe weiter daran festhalten. Monat für Monat würden die Terminservicestellen zehntausend Versicherten helfen, wenn es mit dem Facharzttermin hake, sagte Gröhe. „Das ist eine Stärkung der Patientenrechte“, betonte der Minister. Es bleibe weiter die Aufgabe aller Beteiligten, dafür zu sorgen, dass die Vermittlung von Facharztterminen für alle Versicherten reibungslos funktioniere.
Auch die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, findet, die Terminservicestellen hätten sich bewährt. Sie erwarte von der Ärzteschaft, dass sie „weiter daran arbeitet, Wartezeiten für kranke Menschen zu verringern“. Ihrer Auffassung nach könnte noch deutlich mehr Menschen geholfen werden, wenn die KVen „offensiv für die Terminservicestellen werben würden, statt dieses Angebot praktisch zu verstecken“.
Wer gesetzlich krankenversichert ist, kann sich seit Ende Januar 2016 mit einer dringlichen Überweisung vom Hausarzt an die Terminservicestellen bei der KV wenden. Die Mitarbeiter müssen dem Patienten innerhalb einer Woche einen Termin bei einem Facharzt vermitteln. Auf den Termin dürfen die Patienten dann maximal vier Wochen warten. Gelingt das nicht, können sie im Krankenhaus Hilfe suchen. Die Einführung der Terminservicestellen war Teil des Versorgungsstärkungsgesetzes. Zuständig für die Umsetzung sind die 17 KVen. © may/dpa/aerzteblatt.de

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