Politik
Psychische Erkrankungen: Fehltage erreichen Höchststand
Freitag, 27. Januar 2017
Hamburg – Die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen haben nach Angaben der DAK-Gesundheit einen neuen Höchststand erreicht. Die Kasse registrierte im vergangenen Jahr rund 246 Ausfalltage je hundert Versicherten aufgrund von Seelenleiden, wobei Frauen deutlich häufiger betroffen waren, wie die DAK heute mitteilte. Die Zahl der Fehltage aufgrund dieser Diagnose hat sich in den vergangenen 20 Jahren damit mehr als verdreifacht.
Insgesamt fehlten 2016 zwar weniger Menschen aufgrund psychischer Erkrankungen im Job, im Einzelfall dauerten sie aber länger. Im Schnitt waren es 38 Fehltage, nach 35 Ausfalltagen im Jahr 2015. Die meisten Fehltage entfielen auf Depressionen, gefolgt von Reaktionen auf schwere Belastungen, Anpassungsstörungen und Burnout. Nach einem Höchststand im Jahr 2010 wurde die Diagnose Burnout seither allerdings deutlich weniger festgestellt.
Bei Frauen wurden im vergangenen Jahr rund 60 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen diagnostiziert als bei Männern (311 Ausfalltage je hundert Versicherte zu 191 Ausfalltage). Damit kamen bei Frauen seelische Leiden erstmals auf Platz eins, gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Bei Männern lagen nach wie vor die Muskel-Skelett-Erkrankungen an der Spitze.
Die positive Nachricht: Deutschlands Arbeitnehmer meldeten sich seltener krank. Der Gesamtkrankenstand sank 2016 demnach von 4,1 auf 3,9 Prozent. Der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einer Krankmeldung war mit 45 Prozent so niedrig wie zuletzt vor zehn Jahren. Ein Grund könnte sein, dass die Erkältungswelle im vergangenen Jahr nicht ganz so stark ausfiel.
Insgesamt ließen sich mehr als die Hälfte aller Fehltage auf drei Krankheitsarten zurückführen. An erster Stelle standen Rückenleiden und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen. Mehr als jeder fünfte Fehltag wurde damit begründet (22 Prozent). Danach folgten psychische Erkrankungen mit 17 Prozent Anteil am Gesamtkrankenstand. Rund 15 Prozent gingen auf das Konto von Schnupfen und Co.
Es zeigte sich aber auch ein deutlicher Ost-West-Unterschied. Mit 4,9 Prozent war der Krankenstand im Osten höher als im Westen, wo er bei 3,8 Prozent lag. Im Osten wurden damit 28 Prozent mehr Ausfalltage dokumentiert als im Westen. Für die Analyse wertete das Berliner Iges-Institut die Daten von 2,6 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten aus.
„Die Daten der DAK-Gesundheit führen uns deutlich vor Augen, wie einschneidend sich psychische Erkrankungen auf das Leben der Betroffenen auswirken“, erklärte Arno Deister, Präsident der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Psychischen Erkrankungen käme heute zwar eine enorme gesellschaftliche Bedeutung zu. Trotzdem sei das Versorgungs- und Rehabilitationssystem in Deutschland noch nicht so aufgestellt, wie es für die Betroffenen notwendig wäre.
Deister erläuterte, mit der Novellierung des Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Kliniken stehe die stationäre Versorgung zwar zurzeit vor einer Neuausrichtung, entscheidende Fragen der Umsetzung seien aber noch ungeklärt. Handlungsbedarf sieht er auch in der ambulanten Versorgung. „Patienten leiden unter langen Wartezeiten auf einen passenden Behandlungsplatz, die pauschale Vergütung für die ambulant tätigen Psychiater erlaubt kaum Zeit für therapeutische Gespräche und die morbiditätsunabhängige Bedarfsplanung verschärft bestehende Versorgungsungerechtigkeiten“, so Deister.
Er macht sich für eine stärkere sektoren- und settingübergreifende Zusammenarbeit aller Leistungserbringer stark. Dabei gelte es, die Angebote je nach Behandlungsbedarf abgestuft und auf den individuellen Bedarf abzustimmen. „Die Gesundheitspolitik ist gefordert, hier rasch die dringend notwendigen Weichen zu stellen“, so Deister. © afp/aerzteblatt.de

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