NewsVermischtes„Menschen reagieren zumeist mit Unbehagen, wenn Roboter allzu menschlich aussehen.“
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Vermischtes

„Menschen reagieren zumeist mit Unbehagen, wenn Roboter allzu menschlich aussehen.“

Mittwoch, 8. Februar 2017

Berlin – Experten sind sich einig, dass lernfähige Maschinen schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Gesundheitssystem zum Einsatz kommen. Dabei wird es um Systeme in der Diagnostik gehen, wie etwa IBM Watson, Assistenzroboter in der Pflege oder Re­ha­­­­bilitation, wie Roreas, ein Robotercompanion, der Schlaganfallpatienten beim Gang­training unterstützt und etwas später auch kognitive Systeme, die Demenz­patienten im Alltag unterstützen (Beispiel Kognit). Zudem sind intelligente Systeme in der Prävention denk­bar, etwa als Bewegungstrainer oder Systeme, die Diabetes­patienten beim Abneh­men helfen.

Im Interview spricht das Deutsche Ärzteblatt mit einer Sozialwissenschaft­lerin, die an der Entwicklung von mehreren Assistenzrobotern für die Rehabilitation be­teiligt ist und die bereits mit Schlaganfallpatienten zum Einsatz kamen. Sie beschäftigt sich dabei auch mit ethischen Richtlinien und Grenzen der humanoiden Robotik.

Fünf Fragen an Sibylle Meyer, Institutsleiterin des SIBIS Instituts für Sozialforschung und Projekt­beratung GmbH, über Gesetze, ethische Regeln und die Akzeptanz humanoider Roboter in der Medizin.

Welche „humanoide Hülle“ halten Sie bei KI-Systemen für Patienten für angemessen?
Sibylle Meyer: Für Roboter im Gesundheitssystem zählt das Prinzip „form follows function“. Das Erschei­nungsbild sollte in Abhängigkeit der Zielrichtung des Robotereinsatzes, dem Leistungsspektrum des Robo­ters und der adressierten Patientengruppe ausgewählt werden. Bei Roreas haben wir uns beispielsweise für einen wenig humanoiden Roboter entschieden, ohne Arme und Beine, den Kopf nur angedeutet. Denn das Ziel, Schlaganfallpatienten bei ihren Geh­übungen zu unterstützen, bedarf keiner menschlichen Anmutung. Der Roboter sollte we­niger Therapeut sein, als vielmehr ein intelligentes Reha-Übungsgerät. Er soll die Brücke schlagen vom Training mit einem menschlichen Therapeuten zum selbständigen Üben ohne menschliche Begleitung.

Welche Hüllen werden erfahrungsgemäß von den Menschen in Deutschland am besten akzeptiert?
Sibylle Meyer: Das ist der zweite wichtige Punkt, der bei der Auswahl der Gestalt be­dacht werden muss. Schon in den 70 Jahren wurde festgestellt, dass die Akzeptanz der Roboter abnimmt, wenn sie sich zu sehr der menschlichen Form annähern. Masahiro Mori, ein japanischen Robotiker hat diesen Effekt als „Uncanny Valley“ (unheimliches Tal) beschreiben. Demnach reagieren Menschen mit Unbehagen, wenn Roboter allzu men­schlich aussehen, das heißt die Differenz zwischen Maschine und Mensch zu gering wird. Ein Effekt, der bei Menschen in Deutschland vermutlich noch stärker zum Tragen kommt, als bei Menschen aus dem asiatischen Raum.

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Welche Gesetzte müssen Forscher und Ärzte in Deutschland bei der KI-Robotik beachten?
Sibylle Meyer: Wir haben in Deutschland ein ganz anderes Datenschutzgesetz als in Asien oder den USA. Ab 2018 tritt die einheitliche EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft, die wesentliche Grundsätze des deutschen Rechtes auf die euro­päi­sche Ebene überträgt. Schon heute wird die Einbindung der Roboter in Cloudsysteme, insbesondere, wenn sie im Privatbereich oder in stationären Einrichtungen eingesetzt werden, sehr viel kritischer bewertet als beispielsweise in den USA oder Asien. Das be­trifft etwa den Speicherort der aus Spracherkennung und Sprachausgaben gewonnenen Daten. Das gleiche gilt für Bilddaten, die der Roboter aufnimmt. Solche Daten sind umso relevanter, wenn es sich um vulnerable Personengruppen handelt.

Eine weitere Hürde für den Einsatz der Roboter-Companions in der Praxis ist das Haf­tungs­recht. Die Schuldfrage im Falle eines Unfalls mit einem Roboter ist ebenso schwie­rig zu klären, wie die der automatisch fahrenden Autos. Zu Letzt möchte ich noch das Me­dizingerätegesetz erwähnen. Das besagt, dass auch Roboter im Gesundheitswesen nach strengen Leitlinien zertifiziert werden müssen bevor sie im Alltagsbetrieb eingesetzt werden. Auch das schreckt manche Entwickler ab, Roboter für das deutsche Gesund­heits­wesen zu konzipieren.

Die IBM-Vorstandsvorsitzende Ginni Rometty hat erst kürzlich beim Welt­wirtschaftsforum 2017 in Davos einen Vorschlag für 3 ethische Grundsätze ge­macht. Welche Richtlinien halten Sie in der Medizin für unabdingbar?
Sibylle Meyer: Mit ethischen Fragen beschäftigen sich vor allem die Europäer im Rah­men einer noch jungen Forschungsrichtung, der Roboterethik. Hier wird versucht, den Algorithmen, die der Robotik zugrunde liegen, einen menschlichen Wertekanon beizu­bringen. Die Forschungen hierzu müssen zunehmen, denn letztlich sind es ethisch-politi­sche Fragen, um die es geht: Was ist vulnerablen Personen zuzumuten und wer bestimmt das?

Hier haben wir die Vorschrift des „Informed Consent“; Personen müssen über das was mit den Robotern geschieht so aufgeklärt werden, dass sie die Prozesse ver­stehen und zustimmen können. Das ist in der Robotik nicht einfach. Zukünftig wird es um Fragen gehen, an die wir heute noch kaum denken: Beispielsweise ob ein Patient eine Be­handlung oder Betreuung durch einen Roboter ablehnen darf? Und wenn er dies tut, welche Konsequenzen wird das für ihn haben? Gibt es für ihn ebenso gute Behand­lun­gen oder Betreuungszusagen ohne Roboter? Welche Behandlung übernimmt seine Krankenkasse?

An welcher Stelle würden Sie vom Einsatz von KI und humanoiden Robo­tern abraten?
Sibylle Meyer: In jedem Falle sollten Patienten mit Halluzinationen oder psychotischen Krankheitsbildern nicht von Robotern therapiert werden. Darüber hinaus brauchen wir mehr Forschung, um die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen für unterschiedliche Pa­tientengruppen fundiert beantworten zu können. Vor allem die Grenzen des Einsatzes von humanoiden Robotern in der Geriatrie sind noch weitestgehend unerforscht.

Das vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt WiMi Care kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass es vielerlei Möglichkeiten gibt, wie Servicerobotern die Pflege verbessern. Dabei blieb jedoch ungeklärt welche Auswir­kun­gen dies auf die Patienten hat. Bei unserem aktuellen Projekt Sympartner, ebenfalls vom BMBF gefördert, konzipieren wir einen sympathischen und freudvollen Roboter für das Betreute Wohnen, der erstmals 2017/ 2018 bei der AWO in Erfurt erprobt werden wird.

Wir untersuchen, wie Roboter die gesundheitliche Prävention unterstützen können und wo die Grenzen liegen. Wir erhoffen uns auch Antworten auf die Frage, wie menschen­ähn­lich die Maschinen sein dürfen, um nicht mit echten Menschen verwechselt zu wer­den. Ein Foto von Sympartner wird es im Laufe des Jahres geben. © gie/aerzteblatt.de

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