Medizin
Studie: Lakritz in der Schwangerschaft schadet der Entwicklung des Kindes
Donnerstag, 9. Februar 2017
Helsinki – Der Verzehr von Lakritz in der Schwangerschaft schädigt möglicherweise nachhaltig die körperliche und kognitive Entwicklung der Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie aus Finnland im American Journal of Epidemiology (2017; doi: 10.1093/aje/kww172). Die Autorin rät Schwangeren dringend vom Verzehr der Süßigkeit ab.
Lakritz enthält Glycyrrhizinsäure. Der natürliche Süßstoff aus der Süßholzwurzel hemmt das Enzym 11-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2, das die Umwandlung von Cortisol in Cortison katalysiert. Das Enzym ist auch in der Plazenta enthalten, wo es 80 bis 90 Prozent des Cortisols inaktiviert, das sonst in den Kreislauf des Kindes übertreten würde. Der Verzehr von Lakritz erhöht deshalb die Cortisol-Konzentration im Organismus des Feten.
In tierexperimentellen Studien hatte dies eine verzögerte Pubertät sowie eine Störung der Fortpflanzung zur Folge. Auch Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen wurden dokumentiert. Die Psychologin Katri Räikkönen von der Universität Helsinki untersucht seit einigen Jahren die möglichen Folgen des Lakritzkonsums in der Schwangerschaft beim Menschen.
Sie begleitet dazu eine Kohorte von 1.049 Frauen, die 1998 von einem Einzelkind entbunden wurden. Darunter waren 51 Frauen, die während der Schwangerschaft mehr als 500 mg Glycyrrhizinsäure zu sich genommen hatten, die ungefähr in 100 Gramm Lakritz enthalten sind.
Bei der letzten Untersuchung der Kinder im Alter von acht Jahren schnitten die Kinder gleich in mehreren Tests zur kognitiven Entwicklung schlechter ab. Sie hatten einen geringeren Wortschatz, ein schlechteres erzählerisches Gedächtnis und ein eingeschränktes räumliches Vorstellungsvermögen. Die Konzentrationsfähigkeit war vermindert, die Neigung zum Übertreten von Regeln und zum aggressiven Verhalten erhöht.
Inzwischen haben die Kinder das Alter von zwölf Jahren erreicht. Bei den Mädchen der Lakritz-verzehrenden Schwangeren hat die Pubertät früher eingesetzt. Sie sind mehr als drei Zentimeter größer, acht Kilogramm schwerer und ihr Body-Mass-Index ist um 2,2 kg/m2 höher als von Kindern, deren Mütter kein Lakritz verzehrt hatten. Bei den Jungen, die noch nicht in der Pubertät sind, konnte Räikkönen (noch?) keine Auswirkungen feststellen.
Die hoch exponierten Kinder sind in der kognitiven Entwicklung weiter zurückgefallen. Der Intelligenzquotient ist bei Jungen und Mädchen um sieben Punkte niedriger als bei nicht exponierten Kindern. Die Defizite betreffen die allgemeine, die verbale und die praktische Intelligenz (Performance IQ). Die Kindern litten zudem 3,3-fach häufiger an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung.
Eine Beobachtungsstudie kann den Zusammenhang letztlich nicht belegen. Die Übereinstimmung mit den tierexperimentellen Ergebnissen und der plausible Pathomechanismus über die Hemmung der Cortisol-Inaktivierung in der Plazenta sind jedoch überzeugende Argumente. Räikkönen rät deshalb allen Schwangeren, in der Schwangerschaft auf den Verzehr von Lakritz zu verzichten. © rme/aerzteblatt.de

Lakritz in der Schwangerschaft

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