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Medizin

Pflanzliche Präparate: Diese Wechselwirkungen sollten Kardiologen kennen

Mittwoch, 1. März 2017

Heilpflanzen setzen viele Patienten mit Kardiovasulären Problemen ergänzend zu Medikamenten ein, ohne dass der Arzt informiert ist. / Uschi Dreiucker, pixelio.de
Heilpflanzen setzen viele Patienten mit kardiovaskulären Problemen ergänzend zu Medikamenten ein, ohne dass der Arzt informiert ist. / Uschi Dreiucker, pixelio.de

Rom – Zu den meisten pflanzliche Präparaten, die aus Heilpflanzen gewonnen werden, fehlen Studien, die ihre klinische Wirksamkeit belegen. Dennoch ist die Akzeptanz in der Bevölkerung groß, vor allem in Entwick­lungsländern. Ein beliebtes Einsatzgebiet sind kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Wirkung von zehn häufig benutzten Herz- und Gefäß-Nahrungsergänzungsmittel, darunter Ginseng, Knoblauch und Ginkgo, haben Forscher der Università Cattolica del Sacro Cuore in Rom zusammengefasst. Rationale Phytopharmaka, die Extrakte von Heilpflanzen in Arznei­mittelform enthalten und ijm gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln klinisch getestet sind, wurden hier nicht analysiert. Die Über­sichts­arbeit ist im Journal of the American College of Cardiology erschienen (2017; doi:).

Pflanzliche Arzneimittel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

  • begrenzte Evidenz für Wirksamkeit:
    Leinsamöl, Mariendistel, Traubenkerne, Soja, grüner Tee*, Knoblauch*, Weißdorn**
  • keine Evidenz für Wirksamkeit:
    Astragalus, asiatischer Ginseng*
  • keine Evidenz für Wirksamkeit und potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen:
    Ginkgo biloba*

* hohes Risiko für Weschelwirkungen mit kardiovaskulär-wirksamen Medikamenten

** wurde im Review mit * eingestuft, widerspricht jedoch den Angaben der EMA.
 

Für sieben der zehn pflanzliche Prä­parate konnten Studien eine begrenzte Wirkung erzielen. Groß angelegte Studien fehlen jedoch. Drei davon hätten zudem ein hohes Risiko für Wechsel­wirkungen mit kardiovaskulär-wirksamen Medika­men­ten (siehe Kasten).

Ärzte sollten sich mit Heilpflanzen auskennen, die ihre Herz-Kreislauf-Patienten eventuell zusätzlich zu anderen ärztlich verordneten Medika­menten einnehmen, geben die Autoren der Studie um Graziano Onder zu be­den­ken. Denn einer von fünf nutzt Kräu­ter oder Nahrungsergänzungsmittel während seines Lebens, so das Ergeb­nis einer Umfrage in den USA. Zudem würden Patienten Heilpflanzen oft nicht als Medizin sehen, weshalb sie diese gegenüber dem Arzt nicht erwähnen, teilen die Autoren in einer Pressemeldung mit.

Der asiatische Ginseng (Panax ginseng) enthält beispielsweise Saponine. Die traditio­nel­le chinesische Medizin geht davon aus, dass dieser Wirkstoff vorteilhaft für den Blut­druck, die Blutzuckerwerte oder die Lipidlevel ist. Ein kürzlich veröffentlichter Review konnte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf den Blutdruck feststellen.

Eine Meta­analyse, die acht Studien zusammenfasst, kam zu dem Ergebnis, dass sich auch bei Typ-2-Diabetikern die HbA1c-Werte nicht verbesserten. Hingegen verbesserten sich die Werte der Nüchternglukose, des Cholesterins und LDL-Levels sowie die Insulin­resis­tenz. Eine andere Übersichtsarbeit, die 16 Studien analysierte, konnte hingegen keine Auswirkung des Ginsengs auf die Insulinresistenz feststellen. Weitere Studien seien daher notwendig, schlussfolgern die Autoren.

Weißdorn laut EMA ohne Risiko

Die Angaben zu Weißdorn in der Überischtsarbeit seien nicht korrekt, sagte Susanne Alban, Direktorin des Pharmazeutischen Instituts der Universität zu Kiel, dem Deutschen Ärzteblatt. „Weißdorn hat kein hohes Risiko für Wechselwirkungen mit kardiovas­kulär-wirksamen Medikamenten“, sagt die Pharmazeutin und bezieht sich dabei auf einen Report des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur.

Ein besonderes Augenmerk legten die Forscher auf die Wechselwirkungen mit anderen Herzmedikamenten. Patienten, die Ginseng, Preiselbeeren, grünen Tee oder Rotwurzel-Salbei (Salvia miltiorrhiza) in Kombination mit dem Antikoagulanz Warfarin einnehmen, haben ein erhöhtes Blutungsrisiko. Das gleiche Risiko besteht, wenn Ginkgo und Knoblauch zusammen mit Aspirin eingenommen werden. Alle bekannten Wechsel­wir­kungen inklusive der Mechanismen sind in der Studie aufgelistet.

Bei der rationalen Phytotherapie werden die in Heilpflanzen enthaltenen Wirkstoffe extrahiert, kon­zen­triert oder auch einzelne Inhaltsstoffe separiert, um daraus Extraktpräparate, sogenannte Phyto­pharmaka, herzustellen. Diese haben eine in vordefinierten Grenzen konstante Konzentration des Wirkstoffs.

„Was hier analysiert wurde, entstammt größtenteils der Volksmedizin und nicht der Schulmedizin, der sich die rationale Phytotherapie verpflichtet fühlt“, kom­men­tiert Theo Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie in Frank­furt/Main die Studie. Bei kardiovasku­lären Indikationen seien Phytopharmaka und Heilpflanzen zweifelsfrei überfordert, ist sich der Pharmazeut sicher. „Dennoch kön­nen Naturstoffe eine Bedeutung bei der Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten besit­zen.“ Als Beispiel nennt Dingermann die Digitalis-Glykoside, die nicht in Form von Extrakten, sondern als Reinsubstanzen eingesetzt werden. Als Phytopharmaka seien sie daher nicht zu klassifizieren. „Mit reinen Digitalis-Glykosiden können Forscher Dosisfin­dungs­studien durchführen und pharmakokinetische Charakteristika bestimmen. All dies ist mit Extraktpräparaten kaum beziehungsweise gar nicht möglich.“

Zulassungsverfahren für Heilpflanzen in der EU

„In Deutschland gibt es kein einziges Extraktpräparat, das als deklarierte Indikation eine der relevanten kardiovaskulären Krankheiten ausweist“, sagt Dingermann. Denn in der Europäischen Union (EU) seien die Standards für Phytopharmaka ganz andere als in den USA, erklärt der Vorsitzende des Beirats des Komitees Forschung Naturmedizin. Ob ein pflanzliches Arzneimittel mit einer Registrierung auskommt oder eine klinische Zulas­sungsstudie vorgelegt werden muss, ergibt sich aus der Monografie des HMPC.

Die Anforderung an den Wirksamkeitsnachweis von Phytopharmaka, die einer Zulas­sung bedürfen, seien deutlich höher als für registrierte, erklärt Alban. Für registrierte Phytopharmaka müssen die Hersteller Belege zur Unbedenklichkeit vorlegen und nach­weisen, dass die Wirksamkeit ihres Präparats aufgrund einer mindestens 30-jährigen Erfahrung plausibel ist, davon 15 Jahre in der EU (§ 39b AMG). Gleiche Anfroderungen gelten hingegen an Qualtität und Sicherheit für zugelassene und registrierte pflanzliche Arznei­mittel. © gie/aerzteblatt.de

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