Politik
Medizinisches Cannabis kann ab heute verordnet werden
Freitag, 10. März 2017
Berlin – Ärzte aller Fachrichtungen können medizinisches Cannabis in Form von Cannabisblüten und -extrakten schwer kranken Patienten mittels Betäubungsmittelrezept ab jetzt verordnen. Das entsprechende „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ tritt heute mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen, wenn die die Behandlung genehmigen. Damit entfällt das bisherige Verfahren, dass Patienten bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis beantragen müssen.
Als etablierte Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente gelten chronische Schmerzen, Spastik bei multipler Sklerose, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Darüber hinaus wird allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites therapeutisches Spektrum hat, wie Kirsten Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen im Deutschen Ärzteblatt berichten (Dtsch Arztebl 2017; 114(8): A 352–6). In dem Artikel werden die wichtigsten Fragen für verordnende Ärzte beantwortet.
Das BfArM geht davon aus, dass Cannabis aus deutschem Anbau erst ab 2019 zur Verfügung stehen wird. Kontrolliert werden sollen Ernte und Qualität der Pflanzen durch eine Cannabisagentur, die das Bundesinstitut unter seinem Dach einrichtet. Bislang wird Cannabis zu medizinischen Zwecken aus den Niederlanden und aus Kanada importiert.
Stärkung der Verantwortungshoheit des Arztes in der Therapie
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt, dass „ein solider Rechtsrahmen für die Versorgung schwerstkranker Menschen“ geschaffen wurde. „Das Gesetz sorgt dafür, dass nun das Leiden von Patienten, für die keine andere zielführende Therapie zur Verfügung steht, erheblich gelindert werden kann“, erklärt Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BPI. Dieser Schritt stärke die Rechte der Patienten und die Verantwortungshoheit des Arztes in der Therapie.
Genaue Abmessung der pulverisierten Blüten in der Apotheke
„Jede Apotheke kann jetzt nach einer ärztlichen Verordnung Rezepturarzneimittel mit Cannabis herstellen und abgeben“, betont Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. Er erklärt, dass die Apotheker die unzerteilten Cannabisblüten unter definierten Bedingungen mahlen und sie dann als Rezepturarzneimittel abgeben. Mit einem kleinen Dosierlöffel könne der Patient die pulverisierten Blüten genau abmessen
„Über die Dosis sowie aber auch über die Anwendungsform entscheidet der Arzt“, erklärt Kiefer. Cannabis könne mittels elektrischer Verdampfer inhaliert oder nach einer wässrigen Abkochung als „Tee“ getrunken werden. Das Rauchen als „Joint“ oder das Einbacken von Cannabis in Kekse seien für medizinische Zwecke völlig ungeeignet.
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Die Piratenpartei Deutschland hält die flächendeckende Versorgung mit medizinischem Cannabis indes für „eine reine Wunschvorstellung“. Es sei unwahrscheinlich, dass sich die Apotheken in Deutschland rechtzeitig mit Cannabisblüten versorgen könnten.
Der Deutsche Hanfverband sieht das Gesetz als „Meilenstein für alle Betroffenen“, kritisiert jedoch, dass damit das Recht auf Eigenanbau, das einigen Patienten gerichtlich in der Vergangenheit zugesprochen worden war, aufgehoben wird. „Wir fordern weiterhin die Möglichkeit für betroffene Patienten, ihr Cannabis selbst anzubauen. Manche haben positive Erfahrungen mit einer ganz bestimmten Sorte und wollen diese weiterhin nutzen“, erklärt Georg Würth, Geschäftsführer des Hanfverbands. © pb/aerzteblatt.de

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